Alarm für die Jugendfeuerwehr

Die Gruppenführer Leon Genselein (links) und Jan-Philipp Görlich beobachten, wie ihre Leute arbeiten. Sie sind an den blauen Westen erkennbar. Foto: Thomas Dohna
Die Großfahrzeuge sind gerade am Unfallort eingetroffen. Tom Siekmann (Mitte) gibt der Einsatzleiterin Leonie Kluckow und den Gruppenführern Jan-Philipp Görlich (links) und Leon Genselein Tipps. Im Fahrzeug sitzt Maschinist Andreas Bolz. Foto: Thomas Dohna

Elf Einsätze in 24 Stunden

Leopoldshöhe (ted). Es sind lange fünf Minuten. Ein Mensch liegt unter einem Auto, zwei andere sind verletzt. Ein Mann dringt auf Leonie Kluckow ein und schreit immer wieder: „Der hat meinen Kollegen totgefahren!“ Die Einsatzleiterin der Jugendfeuerwehr Leopoldshöhe steht auf dem Margarethenweg und wartet.

Endlich rollen das LF 10 und das HLF 20 über die Teutoburger Straße an. Leonie Kluckow war mit den Einsatzleitwagen vorausgefahren und steht nun dem völlig aufgelösten Mann gegenüber.  Uwe Mäscher wird später sagen: „Ich war ja auch ein Verletzter“, an der Psyche verletzt.

Es ist die erste von elf Übungen, die die Jugendfeuerwehrleute innerhalb von 24 Stunden abarbeiten, wie es im Feuerwehr-Jargon heißt. Von Freitagmittag bis Samstagmittag absolvieren die Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 16 Jahren einen 24-Stunden-Dienst.

Die Großfahrzeuge rücken an. Auf dem Margarethenweg haben Aktive der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe eine Unfallübung aufgebaut. Foto: Thomas Dohna
Die Großfahrzeuge rücken an. Auf dem Margarethenweg haben Aktive der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe eine Unfallübung aufgebaut. Foto: Thomas Dohna

Die beiden Einheiten in den Löschfahrzeugen sitzen ab. Die Fahrer sind Aktive der Einsatzabteilung, Mannschaft und Gruppenführer sind von der Jugendfeuerwehr. Die Gruppenführer Jan-Philipp Görlich und Leon Genselein suchen ihre Einsatzleiterin, Uwe Mäscher als Aufgeregter funkt immer wieder dazwischen, es geht ihm alles zu langsam, weil doch sein Kollege unter dem Auto liegt.

Uwe Mäscher (links) gibt nach dem Abschluss der Unfallübung der 16-jährigen Einsatzleiterin Leonie Kluckow Tipps, wie sie taktisch klug einen Einsatz beginnt. Mäscher war lange Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe. Den beiden schaut Tom Siekmann zu. Er fährt für Leonie Kluckow den Einsatzleitwagen. Foto: Thomas Dohna
Uwe Mäscher (links) gibt nach dem Abschluss der Unfallübung der 16-jährigen Einsatzleiterin Leonie Kluckow Tipps, wie sie taktisch klug einen Einsatz beginnt. Mäscher war lange Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe. Den beiden schaut Tom Siekmann zu. Er fährt für Leonie Kluckow den Einsatzleitwagen. Foto: Thomas Dohna

Etliche Aktive der Feuerwehr haben die Übung vorbereitet. Sie besorgten zwei Schrottautos und präparierten sie. Sie schoben eines der Autos über eine Puppe, die für Rettungsübungen da ist. Das ist Mäschers „Kollege“. Eine andere Puppe liegt in einem der Unfallwagen. Ein dritter „Verletzter“ ist ein aktiver Feuerwehrmann. Er sitzt in dem Auto, das über der Puppe steht.

Mit Hilfe eines Hebekissens haben die Jugendfeuerwehrleute das Auto angehoben. Die Holzklötze stützen es zur Sicherheit ab. Foto: Thomas Dohna
Mit Hilfe eines Hebekissens haben die Jugendfeuerwehrleute das Auto angehoben. Die Holzklötze stützen es zur Sicherheit ab. Foto: Thomas Dohna

Kluckow gibt Anweisungen. Mit Hebekissen soll das Auto angehoben werden, um den „Kollegen“ unter dem Auto zu befreien. Unterdessen fahren Autos durch die Einsatzstelle. Ein Passant mischt sich unter die Einsatzstelle. Ein Aktiver fragt Leonie Kluckow: „Hast Du noch Leute, die die Einsatzstelle absichern können?“  Schnell beordert sie zwei Jungen. Die stellen Pylonen auf. Die Einsatzstelle ist abgesichert.

Zwei Jugendfeuerwehrleute warten darauf, dass das Auto hoch genug angehoben ist, um die Puppe, die als Unfallopfer dient, hervorziehen zu können. Foto: Thomas Dohna
Zwei Jugendfeuerwehrleute warten darauf, dass das Auto hoch genug angehoben ist, um die Puppe, die als Unfallopfer dient, hervorziehen zu können. Foto: Thomas Dohna

Die Jugendfeuerwehr nimmt Kinder ab zehn Jahren auf. Sie bekommen Helm und Einsatzkleidung der Jugendwehr. Sie kommen regelmäßig auf der Wache am Schuckenteichweg zusammen und üben mit dem Gerät der Feuerwehr. Die Jugendfeuerwehrwarte organisieren Übungen, Ausflüge und das große Zeltlager der Jugendfeuerwehren aus dem Kreis Lippe.

Die Gruppenführer Leon Genselein (links) und Jan-Philipp Görlich beobachten, wie ihre Leute arbeiten. Sie sind an den blauen Westen erkennbar. Foto: Thomas Dohna
Die Gruppenführer Leon Genselein (links) und Jan-Philipp Görlich beobachten, wie ihre Leute arbeiten. Sie sind an den blauen Westen erkennbar. Foto: Thomas Dohna

Das Auto hebt sich. Ein Junge hält die Steuerung, über die Druckluft in das Hebekissen geblasen wird. Andere haben Holzklötze und -keile herangeschafft, die nach und nach zur Absicherung unter das Auto geschoben werden. „Nicht so tief die Hand unter das Auto stecken“, warnt ein Aktiver. Trotz aller Vorsicht könnte das Auto abrutschen.

Endlich ist der „Verletzte“ frei. Zwei Jungen schleppen eine Schleifkorbtrage heran. Unterdessen ist ein Feuerwehrbulli angekommen. Er stellt den Rettungsdienst dar. Die Puppe wird auf die Trage gewuchtet und zum Bulli transportiert. Auch die beiden anderen „Verletzten“ sind versorgt.

Das HLF rückt an. Das Fahrzeug (F) kann sowohl bei Unfällen (H = Hilfeleistung) als auch bei Löscharbeiten (L) eingesetzt werden. Foto: Thomas Dohna
Das HLF 20 rückt an. Das Fahrzeug (F) kann sowohl bei Unfällen (H = Hilfeleistung) als auch bei Löscharbeiten (L) eingesetzt werden. Foto: Thomas Dohna

Während des 24-Stunden-Dienstes sollen die Kinder und Jugendlichen möglichst viele verschiedene Einsätze absolvieren. Die Planung lag für dieses und für ihn das erste Mal in der Hand von Johannes Baerg. Er war selbst viele Jahre in der Jugendfeuerwehr und ist jetzt seit einigen Jahren aktive Kraft in der Einsatzabteilung.

Vorn brennt das Feuer. Einsatzleiterin Leonie Kluckow erkundet die Lage. Das HLF ist eingetroffen. Der Gruppenleiter steigt gerade ab. Foto: Thomas Dohna
Vorn brennt das Feuer. Einsatzleiterin Leonie Kluckow erkundet die Lage. Das HLF 20 ist eingetroffen. Der Gruppenleiter steigt gerade ab. Foto: Thomas Dohna

Nach dem Verkehrsunfall gab es Ölspuren zu finden und zu beseitigen, eine Fehlalarmierung durch die Leitstelle zu erkennen, einen Kellerbrand zu löschen, einen Fehlalarm durch einen Heimrauchmelder abzuarbeiten, einen Baum von der Straße zu räumen und morgens um 5.30 Uhr nach ein paar Stunden Schlaf in der Feuerwache einen Containerbrand zu löschen. Nach dem Frühstück sieht Baerg eine Stunde Sport vor. „Da waren die meisten schon ziemlich kaputt“, sagt Baerg. Der aufwändigste Einsatz steht da noch bevor.

Das LF10 ist an der Einmündung zur Hakenheide stehengeblieben. Dort gibt es einen Hydranten. Das Fahrzeug ist für den Bau von Wasserversorgungen über lange Strecken ausgerüstet. Der Gruppenführer läuft zur Brandstelle. Foto: Thomas Dohna
Das LF 10 ist an der Einmündung zur Hakenheide stehengeblieben. Dort gibt es einen Hydranten. Das Fahrzeug ist für den Bau von Wasserversorgungen über lange Strecken ausgerüstet. Der Gruppenführer läuft zur Brandstelle. Foto: Thomas Dohna

Gegen 11 Uhr kommt der Alarm „Unklare Rauchentwicklung an der Hakenheide“. Dort brennt ein Haufen Holz. Diesmal kommen der Einsatzleitwagen und die beiden Löschfahrzeuge gleichzeitig an. An der Hakenheide ist die Wasserversorgung für die Feuerwehr schlecht. Leonie Kluckow lässt von der Krentruper Straße aus eine Schlauchleitung zur Versorgung der Löschfahrzeuge legen. Es geht wesentlich ruhiger zu als beim Verkehrsunfall am Tag zuvor. Manche der jungen Feuerwehrleute scheinen stehend k.o. zu sein.

Vom LF10 herab werden sogenannte B-Schläuche verlegt. Sie sind aneinander gekuppelt. Die Feuerwehrleute stehen auf den Trittbrettern und ziehen während der Fahrt die Schäuche aus den Lagerkästen. Foto: Thomas Dohna
Vom LF 10 herab werden sogenannte B-Schläuche verlegt. Sie sind aneinander gekuppelt. Die Feuerwehrleute stehen auf den Trittbrettern und ziehen während der Fahrt die Schäuche aus den Lagerkästen. Foto: Thomas Dohna

Kluckow lässt eine sogenannte Riegelstellung aufbauen. Damit werden bei einem Brand benachbarte Gebäude mit Wasser gekühlt, damit sie durch die Wärmestrahlung des eigentlichen Feuers nicht entzündet werden. Es dauert etwas, dann hat der Angriffstrupp das Feuer gelöscht. Kluckow gibt den Befehl zum Zusammenräumen. Der Gerätewagen Logistik wird nachgefordert, um die nassen Schläuche aufzunehmen.

Nun darf auch die Mannschaft absitzen. Der Maschinist macht das Fahrzeug zum Löschen klar. Der Gruppenführer wird eingewiesen. Foto: Thomas Dohna
Nun darf auch die Mannschaft absitzen. Der Maschinist macht das Fahrzeug zum Löschen klar. Der Gruppenführer wird eingewiesen. Foto: Thomas Dohna

An der Wache machen die Jugendfeuerwehrleute mit Hilfe der Aktiven die Fahrzeuge wieder einsatzfähig. Es geht mühsam und fast mechanisch. Später wird einer von den ganz jungen Jugendfeuerwehrleuten mit müden, aber leuchtenden Augen sagen: „Es hat Spaß gemacht.“ Und dass er sich schon auf den nächsten 24-Stunden-Dienst freut.

Den Brand haben die Betreuer für die Jugendfeuerwehr entfacht. Gerade wird eine Löschwasserversorgung aufgebaut. Foto: Thomas Dohna
Den Brand haben die Betreuer für die Jugendfeuerwehr entfacht. Gerade wird eine Löschwasserversorgung aufgebaut. Foto: Thomas Dohna

Bei Bratwurst und Kartoffelsalat berichten Leonie Kluckow und ihre Gruppenführer. „Beim ersten Einsatz war ich total überfordert“, bekennt die 16-Jährige. Sie ist seit ihrem zehnten Lebensjahr in der Jugendfeuerwehr und das erste Mal Einsatzleiterin. Einsatzbefehle geben, die Gruppen koordinieren, Rückmeldungen an die Leitstelle geben, das sei alles neu gewesen. Dann aber sei es immer besser gegangen.

Ein Truppmann bringt einen Schlauch zur Brandstelle. Er trägt eine Maske und ein Modell eines Atemschutzgerätes auf dem Rücken. Foto: Thomas Dohna
Ein Truppmann bringt einen Schlauch zur Brandstelle. Er trägt eine Maske und ein Modell eines Atemschutzgerätes auf dem Rücken. Foto: Thomas Dohna

Ihre Gruppenführer Jan-Philipp Görlich und Leon Genselein nicken. Sie waren zum ersten Mal Gruppenführer und damit für die konkrete Arbeit verantwortlich. Die sei immer besser gegangen. Görlich ist ein halbes Jahr jünger als Kluckow, Genselein ist 14 Jahre alt. Alle drei sind die erfahrensten Jugendfeuerwehrleute. Es habe Spaß gemacht, sagen alle drei, auch wenn ihre Rollen anspruchsvoll waren.

Die beiden Trupps löschen die Reste des Feuers ab. Der Gruppenführer (links) hält eine Wärmebildkamera, mit deren Hilfe er nach Glutnestern sucht. Foto: Thomas Dohna
Die beiden Trupps löschen die Reste des Feuers ab. Der Gruppenführer (links) hält eine Wärmebildkamera, mit deren Hilfe er nach Glutnestern sucht. Foto: Thomas Dohna

Leonie Kluckow und Jan-Philipp Görlich machen schon bei den jede zweite Woche stattfindenden  Dienstabenden der Einsatzabteilung mit. Sie werden im kommenden Jahr ihre Truppmann-Ausbildung beginnen. Mit 18 Jahren werden sie die richtigen Einsätze mitfahren dürfen. Leon Genselein ist 14 Jahre alt. Er wird die Feuerwehr wechseln, weil seine Familie umzieht. „Aber ich bleibe dabei, nur in einer anderen Feuerwehr“, sagt er mit Nachdruck.

Zum Abschluss des 24-Stunden-Dienstes haben sich die Jugendfeuerwehrleute zum Foto aufgestellt. Foto: Thomas Dohna
Zum Abschluss des 24-Stunden-Dienstes haben sich die Jugendfeuerwehrleute zum Foto aufgestellt. Foto: Thomas Dohna