Grenzen zu, aber nicht ganz

Ministerpräsident Hendrik Wüst begrüßt CDU-Parteifreunde. In der Mitte schaut der Vorsteher des Landesverbandes Lippe Jörg Düning-Gast zu. Foto: Thomas Dohna
Ministerpräsident Hendrik Wüst begrüßt CDU-Parteifreunde. In der Mitte schaut der Vorsteher des Landesverbandes Lippe Jörg Düning-Gast zu. Foto: Thomas Dohna

Ministerpräsident Wüst sprach in Bad Salzuflen

Bad Salzuflen (ted). Er ist der Gegenentwurf zum CDU-Kanzlerkandidaten Friederich März: sachlich, ruhig, in seinen Äußerungen an Recht und Gesetz orientiert. Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident war beim Jahresempfang der CDU Bad Salzuflen zu Gast, an dem auch etliche Leopoldshöher CDU-Mitglieder teilnahmen.

Ein paar Sätze zum neu-alten US-Präsidenten Donald Trump, einer zu Friedrich März, ein paar Sätze zur gewesenen Ampel-Bundesregierung und so gut wie nichts zu den Konkurrenten vom rechtsextremen Rand, Wüsts Rede unterschied sich wohltuend vom derzeit allgegenwärtigen Wahlkampfgetöse. Ein paar freundliche Worte richtete Wüst in Richtung des Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Lippe II/Höxter Christoph Hase, der im Bundestag einer der Initiatoren für den Gang zum Bundesverfassungsgericht war, um den ersten Haushalt der Ampel-Regierung zu Fall zu bringen. „Wir brauchen mehr Lipper“, meinte Wüst angesichts der sprichwörtlichen Sparsamkeit in diesem Teil des Bundeslandes.

Freundliche Worte fand Wüst auch für Kerstin Vieregge, die im Bundestag Obfrau für die CDU im Verteidigungsausschuss ist und sich dort inzwischen einen Namen gemacht hat. Sie tritt im Wahlkreis Lippe I an, der den Großteil Lippes ausmacht. Sie hatte in einer kämpferisch-harten Rede die Ansprüche der CDU auf die Bundesregierung klar gemacht.

Sie warb für weniger Bürokratie und mehr Freiheit für Unternehmen, eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten und für eine Reform des Sozialstaates, der erhalten bleiben solle. Sie übte Kritik an der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Satz „Wir schaffen das“. Diese Aussage habe sich rückwirkend als schwerwiegende Fehleinschätzung erwiesen, sagte Vieregge.

Das Gefühl der Sicherheit, dass Deutschland einst geprägt habe, sei einer spürbaren gesellschaftlichen Unruhe gewichen. Sie setzte die nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden psychisch kranken Täter von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg Terroristen gleich.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge hielt eine kämpferische Rede. Foto: Thomas Dohna
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge hielt eine kämpferische Rede. Foto: Thomas Dohna

Vieregge wiederholte die Pläne der CDU bei einer Übernahme der Regierungsverantwortung im Bund: Kontrollen an allen Grenzen, Einreiseverbot für Menschen ohne Papiere, unbefristeter Ausreisearrest, Verantwortung des Bundes für die Abschiebung Ausreisepflichtiger.

Auf diese Dinge ging Wüst nicht ein. Er stellte fest, dass Vertrauen in die Demokratie in Deutschland verloren gegangen sei. Er sagte, dass die deutsche Wirtschaft in Europa als Antreiber ausgefallen sei. Er stellte fest, dass Friedrich Merz der Kanzlerkandidat sei, der in die Zeit passe. Gleich darauf berichtete er von einem Besuch des Gouverneurs von Nebraska bei ihm in der Düsseldorfer Staatskanzlei, der gesagt habe, Trump mache, was er gesagt habe.

Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach während des Jahresempfangs der CDU Bad Salzuflen. Foto: Thomas Dohna
Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach während des Jahresempfangs der CDU Bad Salzuflen. Foto: Thomas Dohna

Wüst mahnte in Europa zur Einigkeit und nannte das „German vote“ als Beispiel dafür, wie Deutschland in den vergangenen Jahren in Brüssel oft gehandelt habe: sich bei Abstimmungen enthalten. „Wir müssen gemeinsam handeln, damit wir von Donald Trump nicht behandelt werden“, mahnte Wüst.

Es sei Vertrauen durch die Ampel und auch davor schon verloren gegangen, stelle Wüst mit Blick auf die Regierungen Scholz und Merkel fest. Dann ging Wüst an die Wurzeln der Bundesrepublik Deutschland.

Das Vertrauen in die damals von längst nicht allen Deutschen gewollte Demokratie habe sich auf drei Säulen gestützt: Innere und äußere Sicherheit, soziale Sicherheit und Aufstieg durch Bildung. Der Wille zur Sicherheit in Freiheit habe unter dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer zu Westbindung und Wiederbewaffnung geführt.

Viele CDU-Mitglieder aus Leopoldshöhe waren beim Jahresempfang in der Bad Salzufler Konzerthalle. Foto: Thomas Dohna
Viele CDU-Mitglieder aus Leopoldshöhe waren beim Jahresempfang in der Bad Salzufler Konzerthalle. Foto: Thomas Dohna

Soziale Marktwirtschaft, was das sein solle, sei längst nicht aller klar gewesen: unternehmerische Freiheit gepaart mit gesellschaftlicher Verantwortung, ein „dritter Weg“, zwischen unbedingtem Kapitalismus und Sozialismus.

Aufstieg durch Bildung unabhängig vom Geldbeutel der Eltern sei ein Versprechen gewesen. Das sei alles nicht mehr selbstverständlich, sagte Wüst.

Die hybride Kriegführung Russlands gegen Europa und Deutschland, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Flüchtlingsströme über Belarus, einem Verbündeten Russlands sah Wüst als eine der Ursachen an. Die andere sieht er in dem von den europäischen Nachbarn mangelhaft oder gar nicht verwirklichten Dublin-System.

Es gebe europäische Staaten, die würden Flüchtlinge gar nicht mehr registrieren, weil die ohnehin nach Deutschland wollten. Im vergangenen Jahr sei dies in 700.000 Fällen nachweislich nicht passiert. Wüst forderte, diese Staaten notfalls unter Druck zu setzen, damit die Regeln eingehalten werden würden, auch damit, dass Menschen an den Grenzen zurückgewiesen würden. „Ich stehe voll hinter den Forderungen, die auch unsere Bundestagsfraktion in diesen Tagen erhebt“, sagte Wüst.

Klaus Fiedler, CDU-Vorsitzender in Leopoldshöhe, und seine Frau Erika sitzen im Publikum. Foto: Thomas Dohna
Klaus Fiedler, CDU-Vorsitzender in Leopoldshöhe, und seine Frau Erika sitzen im Publikum. Foto: Thomas Dohna

Wüst betonte: „Ich will als deutscher Christdemokrat, dass wir auch in Zukunft für Menschen da sind, die vor Krieg und Vertreibung fliehen. Das ist für mich selbstverständlich.“ Er erwarte das aber auch von anderen Ländern. Wüst warb für eine Allianz der Mitte. Wenn die politische Mitte keine Probleme löse, würden die Ränder stärker.

Die Landesregierung habe auf die Probleme reagiert und eine weitere Abschiebehaftanstalt gebaut. Wüst forderte die Stärkung der Ausländerbehörden. Die werden von den chronisch unterfinanzierten Kreisen und Kreisfreien Städten unterhalten. Bund und Land konnten sich zum Beispiel nicht auf eine auch von Wüst geforderte Altschuldenentlastung der Kommunen einigen, weil sich die CDU im Bundestag einer dafür nötigen Änderung des Grundgesetzes verweigert.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Hansen lobte die Landespolitik. Foto: Thomas Dohna
Der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Hansen lobte die Landespolitik. Foto: Thomas Dohna

Das Land stecke zwei Milliarden Euro in die sprachliche Frühförderung von Kindern. Es geben jedes Jahr 100.000 Kinder, die nicht oder nicht ausreichend Deutsch sprechen. Mit dem Programm könnten Kinder relativ individuell gefördert werden. Das Land habe 5.000 Lehrer mehr eingestellt und 2.000 Kräfte wie Sozialarbeiter, die an den Schulen helfen sollen. „Investitionen in die Lernfähigkeit können Sie nicht aufschieben“, mahnte Wüst, denn die Kinder würden älter.  

Wüst warb dafür, in den Kindertagesstätten und Schule vorzulesen. Für die Kinder sei das eine Explosion im Kopf: „Werden Sie Lesepate.“

Wüst warb für eine Frühstartrente. Da solle jedes Kind zwischen sechs und 18 Jahren zehn Euro pro Monat für eine private Altersvorsorge bekommen. Wüst lehnte den Vorschlag des grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck ab, Kapitalerträge zu Sozialversicherungsbeiträgen heranzuziehen. Habeck hatte ausdrücklich von großen Vermögen gesprochen.

Der Ministerpräsident mahnte eine deutliche Priorisierung bei den Ausgaben an. „Wir brauchen ein paar grundlegende Entscheidungen“, sagte er. Politische Führung bedeute, die Menschen mitzunehmen.

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