Gegen gesellschaftliche Konventionen

Dora Hohlfeld wurde auf Gut Niederbarkhausen geboren. Foto: Thomas Dohna
Dora Hohlfeld wurde auf Gut Niederbarkhausen geboren. Foto: Thomas Dohna

Dora Hohlfeldt wird mit einem FrauenOrt geehrt

Leopoldshöhe (cr). Morgen, Freitag, 27. Juni 2025, werden auf dem Leopoldshöher Bildungscampus um 16 Uhr die Leopoldshöher FrauenOrte eingeweiht. Eine der so geehrten historischen Persönlichkeiten aus Leopoldshöhe ist die Schriftstellerin Dora Hohlfeld, geboren auf Gut Niederbarkhausen.

„Frauenzimmerliches Beobachtungstalent, unvermeidliche gouvernantenhafte Sentimentalität und Phantasie, ins himmelssüchtige, rosenrote und veilchenblaue zu verfärben und verzuckern in romantisierte Syrup-Leidenschaftssturmflugen zu stürzen, zugleich mit barmherzigen Schwimmgürteln von Charakteren und Moral und ethisch-ästhetischer Unzerreißbarkeit zu versehen, so dass sie sich großartig über Wasser halten“, schrieb ein Rezensent 1909 in einer österreichischen Zeitung über zwei Romane von Dora Hohlfeld. Unfreiwillig polemisch trifft der Kritiker gerade die Stärken der Prosa der Autorin.

Zeitlebens hatte die Schriftstellerin gegen gesellschaftliche Konventionen und die Bevormundung der Frau gegen die Ehe gekämpft. Ihre Romane als anspruchslose und triviale Frauenliteratur herabzuqualifizieren, wird Dora Hohlfelds Schaffen nicht gerecht, hatte sie sich doch zeitlebens üblichen Ressentiments schriftstellernden Frauen gegenüber behaupten müssen, schreiben Manfred Beine und Ursula Honerlage anlässlich des 150-jährigen Geburtstages der „Rietbergerin“ im „Gütersloher Heimatjahrbuch“ von 2010.

Die am 21. Februar 1860 als Luise Josefine Julie Theodore (Dora) Tenge auf Gut Niederbarkhausen in Leopoldshöhe „im rauen Land Westfalen“ (Zitat Tenge) geboren worden war. Das Gut Niederbarkhausen hatte Friedrich Ludwig Tenge, der Großvater Dora Hohlfelds, als Familiensitz erworben. Er galt als führende Persönlichkeit der frühen Industrialisierung in Westfalen und Gründer zahlreicher Unternehmen in Lippe. Die materielle Grundlage für die vielseitige, unternehmerische Tätigkeit hatte Tenge durch Grundstücksspekulationen geschaffen.

Den Lebensmittelpunkt seiner jungen Familie hatte Tenges ältester Sohn Carl Friedrich in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts von Leopoldshöhe nach Rietberg verlegt, wohin die damals vierjährige Dora umzog. Hier wuchs sie als viertes Kind mit vier Brüdern und einer Schwester auf. Die Mutter, Therese Tenge, war künstlerisch sehr begabt und galt als begnadete Pianistin.

Liebe zur Musik

Ihre besondere Liebe zur Musik ging auf ihre Tochter Dora über, die von ihrem geistig-kulturellen Umfeld geprägt worden war. Therese und Carl Friedrich Tenge führten in Rietberg ein modernes, kulturell anspruchsvolles Leben. Sie gehörten zu einem literarischen Kreis mit sozialistischen Sympathien, der sich zurzeit des Vormärz gelegentlich auf Schloss Holte traf.

Ihr Lebensweg als Dichterin zeichnete sich bereits im zarten Alter von fünf Jahren ab, als das Kind begann, Märchen, Gedichte und Theaterstücke aufzuschreiben. Erst 40 Jahre später ging sie mit ihren Novellen „Aus dem Krautwinkel“ an die Öffentlichkeit. Ihre formale Bildung hatte Dora Hohlfeld gemeinsam mit ihrer Schwester Alma in einem Pensionat bei Osnabrück erhalten.

“Die arme Josefa”

Schlüsse auf eine distanzierte, eventuell sogar kritische Beziehung zu ihrem Vater, ihrer Herkunft sowie die familiären Verhältnisse, lässt der Roman „Die arme Josefa“ zu. Waren Hohlfelds frühe Veröffentlichungen noch stark von ihren westfälischen Eindrücken geprägt, handeln ihre späteren Erzählwerke „auf Salzburger Boden“, ihrer zweiten Heimat.

Mit 25 Jahren heiratete Dora Tenge den Kavallerieoffizier Maximilian Freiherrn von Reitzenstein. Mit ihm zog sie nach Baden, später übersiedelte das Paar nach München, wo die drei Kinder (zwei Söhne, eine Tochter) geboren wurden.

Schreiben für die Schublade

Als Baronin von Reitzenstein schrieb Dora Holfeld kontinuierlich weiter, zu Veröffentlichungen kam es nicht. Ihr Leben und Wirken blieb auf die Familie beschränkt. Über die Schwierigkeiten ihres schriftstellerischen Lebens berichtete sie einem Freund: Es sei nicht wohlgelitten, zu schreiben, was jedoch nicht ihre in Westfalen begründete mystische Kraft zerstört habe.

Nicht nur in Deutschland mussten Autorinnen um ihre gesellschaftliche Anerkennung kämpfen. Literarischen Ambitionen bei Frauen wurde misstraut. Das damalige Weiblichkeitsideal beschränkte sich auf die Rolle als Gattin, Hausfrau und Mutter; Mutterschaft und kreatives Schaffen schlossen sich aus.

Nicht standesgemäß

Zwei Schicksalsschläge erschütterten 1903 die Familie. Zunächst verstarb der Ehemann Theodores von Reitzenstein, bald darauf der älteste Sohn Heinz. In den Augen der Familie Tenge nicht ganz standesgemäß, heiratete 1904 die Witwe in London Bruno Hohlfeld, den feinsinnigen, sensiblen Künstler, mit „seltener Belesenheit“. Wegen der Ablehnung des Schwagers, der als Vorstand den ererbten Familienbesitz in Rietberg verwaltete, brach Dora Hohlfeld die Beziehung zu Karl Ludwig Woldemar Tenge ab.

Das Künstlerehepaar Hohlfeld lebte von nun an in der Nähe von Salzburg. Hier hatte Dora Hohlfeld endlich Gelegenheit, ihr literarisches Können der Öffentlichkeit zu präsentieren. Nicht ohne Grund befürchtete Dora Hohlfelds Rietberger Familie, dass ihr erster Roman „Die arme Josefa“, Intimes ausplaudern könnte. Denn die Figuren, Schauplätze und Motive basieren teilweise auf realen Vorbildern – eine Revanche für zuvor erlittene Missachtung.

Ein Bestseller

Der Bestseller wurde in ganz Deutschland als einer der allerbesten Romane des Jahres gefeiert. Eine Hamburger Rezensentin lobte das Werk als „Frauenbuch“: „voll von Gefühl, Kraft und Schönheit und einer Sprache, die Wärme weckt…“, während ein anderer Kritiker die „ungewöhnliche Gestaltungskraft des Buches als eine poetische Tat von Bedeutung“ pries. ‘Verglichen mit Selma Lagerlöf, Theodor Storm oder Annettte von Droste-Hülshoff, fühlte sich Hohlfeld Wilhelm Raabe und Klaus Groth verbunden. Die bei Salzburg lebende gebürtige Leopoldshöher Dichterin verehrte Lagerlöf widmete dieser ihren 1924 veröffentlichten Roman „Meerlang – Menschen“, dessen Inhalt die schwedische Kollegin sehr lobte.

Innerhalb von zehn Jahren bis 1915 veröffentlichte Hohlfeld sechs Romane sowie einen Novellenband. Ihr naturschwärmerisch-romantischer Stil hinderte sie nicht, in die allgemeine Kriegsbegeisterung einzustimmen. Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges geriet Dora Hohlfelds Ehemann in eine schwere Krise. Er hörte auf zu malen und beging 1917 Selbstmord. Nach dem Tod ihres Ehemannes, mit dem sie glücklich verheiratet gewesen war, erlitt auch die Witwe eine bis 1923 andauernde Schreibblockade.

Wirtschaftliche Not

Versorgungsengpässe nach dem Krieg, wie Papierknappheit, trugen dazu bei, dass Dora Hohlfeld nicht sofort wieder an frühere Erfolge anknüpfen konnte. Verlage waren mit Veröffentlichungen allgemein sehr zurückhaltend, zögerten Projekte hinaus, so dass die Autorin wiederholt Absagen hinnehmen musste.

Das Leben der Künstlerin während dieser Zeit war von wirtschaftlicher Not und dem belastenden Alltag geprägt. Haushalt und Hausarbeit lagen der kreativen Frau überhaupt nicht und hemmten nach eigener Ansicht ihre künstlerischen Möglichkeiten. In dieser schwierigen Zeit kehrte Dora Hohlfelds Sohn Horst aus Berlin zurück zur Mutter auf der Suche nach einer Anstellung. Die ehemalige Erfolgsautorin konnte jedoch ihren Lebensunterhalt mit den Tantiemen aus ihren Romanen und Erzählungen selbst kaum bestreiten. Ihr Werk hatte sich überlebt. Nach langer, schwerer Krankheit verstarb die Autorin am 11. Februar 1931 knapp 71-jährig in Salzburg.

Zufall oder Kuriosum? Eine kleine Erzählung von Dora Hohlfeld fand 1995 Eingang in eine Anthologie mit Familiengeschichten des Scherz-Verlages, buchstäblich Seite an Seite mit Autoren wie Kurt Tucholsky, Vikki Baum, William Faulkner, Isabel Allende und Franca Magnani.

Auszüge aus dem „Gütersloher Heimatjahrbuch“ von 2010, mit freundlicher Genehmigung von Manfred Beine und Ursula Honerlage

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