
Partei will nicht als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnet werden
Leopoldshöhe (ted). Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) droht den Leopoldshöher Nachrichten mit rechtlichen Schritten.
Die Leopoldshöher Nachrichten hatten im Nachgang zum Wahlausschuss am 10. Juli 2025 unter anderem über die drei Bürgermeisterkandidaten berichtet. Einer der Kandidaten ist Siegfried Fuchs, der für die AfD antritt.
Die Partei ist vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft worden. Dagegen hat die Partei Rechtsmittel eingelegt. Daraufhin hat das BfV eine sogenannte Stillhalteerklärung abgegeben, deren wesentlicher Inhalt sich auf die Öffentlichkeitsarbeit zum Gutachten bezieht. In einigen Bundesländern gilt die AfD nach Urteilen dortiger Gerichte unbestritten als „gesichert rechtsextremistisch“.
Anhängig war bis gestern auch ein Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht. Dabei geht es um Urteile des Oberverwaltungsgerichtes NRW. Die hatten die Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bestätigt, dass es sich bei der AfD um einen rechtsextremistischen Verdachtsfall handelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die von der Partei beantragte Revision als unbegründet zurückgewiesen. Damit sind die Urteile des OVG NRW rechtskräftig.
Der mit „Gegendarstellung“ überschriebene Brief an die Leopoldshöher Nachrichten kommt vom Kreisvorstand der AfD, unterschrieben von dessen Vorsitzenden Jakob Baidin. Der war Mitglied des Detmolder Stadtrates und ist nun Bürgermeisterkandidat in Blomberg. Übermittelt hat das Schreiben Birgit Wittwer. Sie ist Schatzmeisterin im Kreisvorstand der AfD und kandidiert auf Platz 1 der Partei-Reserveliste für Leopoldshöhe. Presserechtlich ist eine Gegendarstellung ein Mittel, um nachgewiesen falsche Tatsachenbehauptungen über natürliche oder juristische Personen in Medien richtigstellen zu lassen.
“Tatsächliche Anhaltspunkte”
Der Kreisvorstand hält die Formulierung “vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Alternative für Deutschland (AfD)” für eine pauschale Vorverurteilung. Die sei geeignet, nicht nur den Bürgermeisterkandidaten Fuchs, sondern auch die gesamte Partei und ihre Mitglieder öffentlich zu diffamieren.
In einem Urteil (Az: BVerwG 6 C 22.09 vom 21. Juli 2010) über die Beobachtung des Bundestagsabgeordneten Bodo Ramelow (Die Linke), stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass „tatsächliche Anhaltspunkte“ für das Bestehen einer verfassungsfeindlichen Bestrebung ausreichen, um eine solche Organisation zu beobachten und das Ergebnis der Beobachtungen zu veröffentlichen.
Auch einzelne Gruppierungen
Der Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte“ findet sich in Paragraph 16 „Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit“ im Bundesverfassungsschutzgesetz, der gesetzlichen Grundlage für die Arbeit des BfV. Das Bundesverfassungsgericht hält in einem Beschluss vom 17. September 2013 (Az.: 2 BvR 2436/10) dieses Gesetz für eine ausreichende Grundlage für die Arbeit des BfV.
„Tatsächliche Anhaltspunkte“ sind laut Bundesverwaltungsgericht nicht nur dann gegeben, wenn eine Partei in ihrer Gesamtheit solche Bestrebungen entfaltet, sondern auch, wenn solche Bestrebungen von einzelnen Gruppierungen innerhalb der Partei ausgehen.
Keine Gleichsetzung
Die implizierte Gleichsetzung der Kandidatur mit einer extremistischen Haltung sei unzulässig, stigmatisierend und politisch einseitig, heißt es in dem Schreiben des Kreisvorstandes. Das haben die Leopoldshöher Nachrichten allerdings auch nicht behauptet.
Das Bundesverfassungsgericht habe betont, dass auch Parteien, die vom BfV beobachtet werden, weiterhin vollständig grundrechtlich geschützt seien, insbesondere in Bezug auf Meinungsfreiheit, Chancengleichheit im politischen Wettbewerb sowie auf ihre Rechte aus Artikel 21 Grundgesetz, schreibt der Kreisvorstand.
Der Grundgesetz-Artikel behandelt vor allem die Verfassungstreue von Parteien. „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig“, heißt es dort im Absatz 2.
Drohung mit rechtlichen Schritten
Die bloße Beobachtung durch den Verfassungsschutz dürfe nicht automatisch zu einer diskriminierenden Berichterstattung führen, schreibt der Kreisvorstand. Die Leopoldshöher Nachrichten halten sich an Fakten und an den Pressecodex des Deutschen Presserates.
Am Schluss des Schreibens droht der Kreisvorstand mit rechtlichen Schritten, sollten die Leopoldshöher Nachrichten die Berichterstattung nicht im Sinne des Kreisvorstandes ändern. Er will angebliche Ansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzung, parteipolitischer Benachteiligung gemäß Artikel 21 Grundgesetz sowie presserechtliche Unterlassungs- oder Gegendarstellungsansprüche nach dem Landespressegesetz NRW durchsetzen. Die Leopoldshöher Nachrichten bleiben bei ihrer Darstellung.
Quellen
- Bundesverfassungsschutzgesetz: § 16 Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit
- Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages: Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, Voraussetzungen und Rechtsfolge
- Bundesverfassungsgericht: Urteil zum Bayrischen Verfassungsschutzgesetz (Az.: 1 BvR 1619/17)
- Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung): Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvR 2436/10
- Bundesverwaltungsgericht: Urteil vom 21.07.2010 – BVerwG 6 C 22.09
- Bundesverwaltungsgericht: Abweisung der Revision gegen OVG-Urteile.
- Grundgesetz, Artikel 21
Wenn man für die AfD in Leopoldshöhe kandidiert, dann ist das offensichtlich nicht so normal wie bei anderen Parteien: Man schleppt automatisch all die Vorurteile und Gerichtsurteile mit sich herum, die eine als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnete Partei eben mit sich bringt.
In dieser Situation ist es auch egal, ob man sich selbst für einen blütenreinen Demokraten hält. Das muss man in diesem Fall schon durch eigene Aussagen und eigenes Verhalten öffentlich nachweisen – es gibt schließlich genügend Gegenbeispiele, auch in Lippe.
Wäre es nur um ein kommunalpolitisches Engagement für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort gegangen, hätte man das auch als Mitglied einer der eindeutig demokratischen Parteien erreichen können. Das ist aber offensichtlich nicht gewollt, es geht also um mehr – um Grundsätzliches.
Die AfD hat sich als Partei durch ihre Programmatik, die Äußerungen und das Verhalten von Mitgliedern den Stempel „rechtsextremistisch“ erworben.
Einzelne ihrer Mitglieder möchten nicht als rechtsextremistisch bezeichnet werden. Das ist verständlich, aber wer diese Bezeichnung als Makel empfindet, kann sich erklären und distanzieren, hat letztlich auch die Möglichkeit die Mitgliedschaft zu beenden.
Ich persönlich wünsche mir jedenfalls im Gemeinderat Mitglieder, die ohne den geringsten Zweifel auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.
Peter Ueding