Leopoldshöhe (liw). Am 24. Februar 2022 begann der Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putins auf die Ukraine. Wie bringen Lehrerinnen und Lehrer Kindern und Jugendlichen diese Realität bei? Welche Rolle spielt das Thema im Unterricht? Und wie schafft man einen Umgang, der den Spagat zwischen dem Ernst der Lage und einer kindgerechten Kommunikation vollzieht? Wir haben mit den Verantwortlichen an Schulen in Leopoldshöhe und Oerlinghausen gesprochen.
Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine endet die Ära von über 70 Jahren Frieden in Europa. Derzeit ist nicht abzusehen, welches Ausmaß der Krieg annehmen wird. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland teilt mit, dass die Opferzahlen nach etwas über zwei Wochen im vierstelligen Bereich liegen. Genaue und verlässliche Angaben seien schwer zu treffen.
Das Alter der Kinder spiele für den Umgang mit dem Thema eine entscheidende Rolle, sagt Antje Happich-Pfeifer, Konrektorin der Grundschule Nord in Leopoldshöhe. Besonders im Grundschulalter müsse man darauf warten, bis ein Gesprächsimpuls von den Kindern komme. Gewohnte Abläufe wie der Austausch im Morgenkreis seien für die Kinder eine Gelegenheit, um ihre Sorgen und Ängste zu äußern, meint Happich-Pfeifer. Die Lehrerinnen nähmen sich die Zeit, das bestehende Wissen zu sammeln und die Fragen der Kinder in ruhiger Atmosphäre zu klären. Kinder seien gerade dann am besten in der Lage, die Dinge zu verstehen, wenn man sie in ihre Lebenswirklichkeit projiziert und somit ihr eigenes Gerechtigkeitsempfinden anspreche.
An der Grundschule Asemissen, unter der Leitung von Diana Fleer, sieht man das ähnlich. Indem man das Thema zu einem festen Bestandteil des Unterrichts mache, sorge man bei einigen Kindern für unnötige Verunsicherung, sagt Fleer. Wenn Gesprächsbedarf geäußert werde, wie in den Jahrgängen drei und vier, sprächen die Lehrerinnen und Lehrer kindgerecht darüber. Hilfreich seien auch Nachrichten, die speziell für Kinder gemacht sind. Fleer betont, dass die Aufklärung über die Hintergründe nicht die Aufgabe der Grundschule sein könne. Die beiden Leopoldshöher Grundschulen stellen sich auf geflüchtete Kinder ein und bereiten sich vor, um spontan reagieren zu können. Ziel sei es, die geflüchteten Familien herzlich zu empfangen und den Kindern eine Tagesstruktur ermöglichen zu können, sagt Fleer.
„Wenn Gespräche aufkommen, muss die Mathestunde eben mal ausfallen“, sagt Manfred Kurtz, Schulleiter der Felix-Fechenbach-Gesamtschule. Er begreift den Austausch als einen dynamischen Prozess. Dazu gehörten die Impulse der Schüler*innen und die notwendige Aufgeschlossenheit der Lehrenden genauso wie das Erarbeiten historischer Hintergründe, sagt Kurtz. Dabei spiele das Alter der Kinder und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Während für die jüngeren Stufen der Kontakt mit den Klassenlehrenden und Beratungslehrenden das Format für Gespräche biete, liege diese Verantwortung bei den höheren Stufen mehr bei den Fachlehrenden.
Obwohl den Lehrenden der Gesellschaftswissenschaften eine besondere Verantwortung zukomme, seien alle gefragt, sich den Sorgen, Ängsten und Befürchtungen anzunehmen, sagt Kurtz. Je älter die Schüler*innen sind, desto mehr bestehe die Möglichkeit, über die historischen Hintergründe zu sprechen und durch Aufklärung der russischen Propaganda entgegenzuwirken. Auch die Schulsozialarbeit sei in den letzten Wochen vermehrt in Anspruch genommen worden. Im sprachlichen Umgang ist Kurtz wichtig, dass man die Sorgen der Schüler*innen ernst nimmt. Das tue man nicht, indem man sie mit einem falschen Optimismus konfrontiere, ganz nach dem Motto: Es wird schon alles gut. Stattdessen müsse den Fragen Raum gegeben und das Vertrauen in die Verantwortlichen gestärkt werden. Auch an der Felix-Fechenbach-Gesamtschule sei man dabei, sich auf geflüchtete Kinder und Familien einzustellen, sagt Kurtz. Trotz der Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit sei ein interner Austauschprozess eine wichtige Aufgabe. In diesem Sinne stehen in der Schule sogenannte Friedenswände bereit, die den Schüler*innen die Möglichkeit geben, ihre Gedanken zu den Stichworten Hoffnung, Sorgen, Wünsche und Ängste zu äußern.
Bettina Lohkamp, stellvertretende Schulleiterin des Niklas-Luhmann-Gymnasiums in Oerlinghausen, sieht die Verantwortung der Schule darin, einen Weg zu finden, das Thema weder zu dramatisieren noch zu bagatellisieren. die Schule wolle den Schüler*innen die Auseinandersetzung mit der Thematik nicht aufdrängen, müsse aber auf Wunsch der Kinder und Jugendlichen stets gesprächsbereit sein. Während die Lehreinnen und Lehrer in der Unter- und der Mittelstufe auf die Impulse der Schüler*innen warten, haben sich die Lehrenden sich während eines Fortbildungstages dazu entschieden, für die Oberstufen Lerngruppen für Gesprächs- und Austauschmöglichkeiten einzurichten.
Ab der Oberstufe könne man außerdem anfangen, die Narrative Putins einzuordnen und mittels historisch-kritischer Betrachtung festzustellen, dass diese nicht der Wirklichkeit entsprechen, sagt Lohkamp. Sie nimmt wahr, dass die Ängste und Sorgen durch die europäische Nähe und die Präsenz der Bilder verstärkt werden. Umso wichtiger sei deshalb, zu vermitteln, dass Schüler*innen weiterhin das Recht zusteht, fröhlich zu sein. Auch kreative Zugänge, wie das Gestalten von Friedenstauben oder das Schreiben von Gedichten, seien dazu eine passende Möglichkeit des Austauschs. Eine Aktion der Schülervertretung habe dazu aufgerufen, Nahrungsmittelspenden bereitzustellen. Am Wochenende seien diese in die polnische Stadt Chelm gebracht worden, die 50 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt und mit den Herausforderungen der Fluchtbewegung zu kämpfen hat, berichtet Lohkamp.