Lernen, unter Druck zu atmen

Am Fuß der Brückenrampe haben die Teilnehmer einen Befehl bekommen, den sie schnellstmöglich an einen Ausbilder oben an der Brücke weitergeben sollen. Laufen ist nicht verboten. Foto: Thomas Dohna
Am Wochenende sind in Leopoldshöhe Feuerwehrleute an Atemschutzgeräten ausgebildet worden. Foto: Thomas Dohna

Bei der Feuerwehr werden Atemschutzgeräteträger ausgebildet

Leopoldshöhe (ted). Eineinhalb Samstage Theorie und eine Prüfung liegen hinter den 14 Teilnehmern. Es ging um Inhalte wie Rechtsgrundlagen, Atemgifte, Notfälle, Funk und Gerätekunde. Die Feuerwehrfrauen und -männer werden in und an der Wache der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe zu Atemschutzgeräteträgern ausgebildet. An diesem Nachmittag sollen sie sich an die Geräte gewöhnen. Eine Übung, die es in sich hat.

Wer bei der Feuerwehr in die Nähe oder direkt ans Feuer soll, um Menschen zu retten und zu löschen, muss sich vor den giftigen und oft tödlichen Rauchgasen schützen. Dafür stehen den Wehrleuten sogenannte Atemschutzgeräte zur Verfügung. Wer an einem solchen Gerät ausgebildet werden will, darf keinen Bart tragen, muss eine Gesundheitsprüfung durchlaufen, in der die Fitness eine gewichtige Rolle spielt. Sie ist für Frauen und Männer, Jüngere und Ältere gleich. Nicht alle bestehen sie. Die 14 haben sie bestanden. Sie haben ihre Grundausbildung zum Truppmann hinter sich, die ersten Einsätze auch. Sie wissen, wie sie was löschen können, wie sie Menschen aus Autos befreien und retten können. Jetzt kommt der nächste Schritt.

Über die Atemschutzmaske gehört eine Brandschutzhaube, die sich der Teilnehmer des Lehrgangs unter der Einsatzjacke zurechtschiebt. Foto: Thomas Dohna
Über die Atemschutzmaske gehört eine Brandschutzhaube, die sich der Teilnehmer des Lehrgangs unter der Einsatzjacke zurechtschiebt. Foto: Thomas Dohna

Das Ankleiden ist eine Kunst für sich. Die Ausbilder erklären Schritt für Schritt, was zu tun ist, wie die Atemmaske so aufzusetzen ist, dass sie eng genug, aber nicht zu eng ist. Manche tragen nach dem ersten Versuch einen Abdruck im Gesicht. Die meisten sind überrascht, dass das Atmen jetzt schwerer fällt. Sie müssen gegen das Ventil in der Maske anatmen. Das geht nur mit Ruhe. So ist auch die Atmosphäre in der Fahrzughalle der Wache, ruhig, konzentriert. Die Brandschutzhaube kommt über die Maske. Sie soll bei Stichflammen den Kopf vor Verbrennungen schützen. Darüber die Jacke. Sie soll, wie auch die Hose, vor Hitze und auch vor Flammen schützen. Beide wärmen auch den Träger. Auf den Kopf kommt noch der Helm.

Unterbrandmeister Max Schewe schaut zu, wie die beiden angehenden Atemschutzgeräteträger ihre Geräte vorbereiten. Foto: Thomas Dohna
Unterbrandmeister und Ausbilder Max Schewe schaut zu, wie die beiden angehenden Atemschutzgeräteträger ihre Geräte vorbereiten. Foto: Thomas Dohna

Die Geräte müssen vorbereitet werden. Die Tragegurte und -bänder werden gelockert. Die Ausbilder zeigen den Teilnehmern, wie sie mit Hilfe des Manometers den Druck in der Flasche prüfen müssen. In der Flasche ist ganz normale Atemluft. „Lemgoer Luft“, wie der Lehrgangsleiter sagt, aber auf 300 bar zusammengepresst.

Mit einer Hand wird die Flasche mit der Atemluft aufgedreht. Die andere Hand hält das Manometer. So wird geprüft, ob die Flasche ausreichend Luft enthält. Foto: Thomas Dohna
Mit einer Hand wird die Flasche mit der Atemluft aufgedreht. Die andere Hand hält das Manometer. So wird geprüft, ob die Flasche ausreichend Luft enthält. Foto: Thomas Dohna
Knapp 300 Bar Druck müssen auf der Flasche sein, dann reicht die Luft für etwa 20 Minuten. Foto: Thomas Dohna
Knapp 300 bar Druck müssen auf der Flasche sein, dann reicht die Luft für etwa 20 Minuten. Foto: Thomas Dohna

Die Männer und Frauen helfen sich gegenseitig, die Geräte auf die Schultern zu setzen. Knapp 20 Kilogramm sind sie schwer. Die Flasche ist in einer Art Rucksackgestell mit Schultertragegurten und Hüftgurt eingehängt. „Achtet darauf, dass der Hüftgurt auch wirklich auf der Hüfte sitzt“, mahnt der Lehrgangsleiter. Das mache das Atmen leichter.

Ein Feuerwehrmann hilft seinem Trupppartner, das Atemschutzgerät aufzusetzen. Foto: Thomas Dohna
Ein Feuerwehrmann hilft seinem Trupppartner, das Atemschutzgerät aufzusetzen. Foto: Thomas Dohna

Die Wehrleute öffnen die Flaschen. Druck baut sich im Schlauch und im Atemautomaten auf. Wer die Flasche nicht öffnet, wird es gleich merken – und unter Atemnot leiden. Deswegen sollen sich die Teilnehmer gegenseitig helfen und beobachten, truppweise zu zweit, wie bei der Feuerwehr üblich. Dirk Teubner, einer der Leopoldshöher Ausbilder, zeigt, wie der Automat an die Maske geschraubt wird. „Nicht verkannten“, mahnt er. Auch dabei sollen die Teilnehmer sich gegenseitig helfen. Sitzt der Automat dicht, strömt Lemgoer Luft in die Lungen.

Der Atemautomat muss exakt an die Maske geschraubt werden. Ausbilder Dirk Teubner zeigt, wie es geht. Foto: Thomas Dohna
Der Atemautomat muss exakt an die Maske geschraubt werden. Ausbilder Dirk Teubner zeigt, wie es geht. Foto: Thomas Dohna
Die beiden Wehrleute helfen sich gegenseitig beim Anschluss des Atemautomaten. Der muss an der Maske angeschraubt werden. Foto: Thomas Dohna
Die beiden Wehrleute helfen sich gegenseitig beim Anschluss des Atemautomaten. Der muss an die Maske geschraubt werden. Foto: Thomas Dohna

Aus allen Ecken der Halle zischt es. Jeder Atemzug macht ein Geräusch. Bei einem Taucher wären jetzt Luftblasen zu sehen. Der Lehrgangsleiter beendet diese erste Übung. Die Teilnehmer schrauben die Automaten ab, drücken auf eine rote Taste und es zischt ein letztes Mal kräftig. Schlauch und Automat sind vom Druck befreit. Helme, Masken und Geräte landen auf den Tischen. „Nehmt einen ordentlichen Schluck Wasser“, sagt der Lehrgangsleiter. „Mit Gerät ist das Atmen durch die Maske viel leichter“, sagt ein Teilnehmer. Wegen des Drucks in der Flasche müsse nicht mehr gegen das Ventil geatmet werden.

Vor dem Marsch sind die Teilnehmer zuversichtlich. Die Geräte sind noch nicht an die Masken angeschlossen. Danach geht es los. Foto: Thomas Dohna
Vor dem Marsch sind die Teilnehmer zuversichtlich. Die Geräte sind noch nicht an die Masken angeschlossen. Danach geht es los. Foto: Thomas Dohna

Die Pause ist kurz, jetzt soll es auf den Marsch durchs Dorf gehen. Vorher stellen sich die Teilnehmer noch zu einem Gruppenfoto auf. Die Geräte werden an die Flaschen angeschlossen, abmarsch. Ausbilder Dirk Teubner geht vorweg.

Knapp 20 Kilogramm wiegt das Atemschutzgerät, dass die Teilnehmer auf ihren Rücken tragen. Foto: Thomas Dohna
Knapp 20 Kilogramm wiegt das Atemschutzgerät, dass die Teilnehmer auf ihren Rücken tragen. Foto: Thomas Dohna
In einer Reihe gehend beginnen die Lehrgangsteilnehmer unter Atemschutz ihren Marsch durch Leopoldshöhe. Richtung und Tempo gibt Dirk Teubner von der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe an. Foto: Thomas Dohna
In einer Reihe gehend beginnen die Lehrgangsteilnehmer unter Atemschutz ihren Marsch durch Leopoldshöhe. Richtung und Tempo gibt Dirk Teubner von der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe an. Foto: Thomas Dohna

Es geht den Schuckenteichweg hinunter zum sogenannten Kriemelmannkreisel. Von dort an der Lageschen Straße entlang zum Bürgermeister-Brinkmann-Weg. „Aufschließen“, ruft ein Ausbilder. Das Gehtempo wird rasch höher.

Am sogenannten Kriemelmann-Kreisel geht es in die Lagesche Straße. Foto: Thomas Dohna
Am sogenannten Kriemelmann-Kreisel geht es in die Lagesche Straße. Foto: Thomas Dohna
Links gehen die Auszubildenden, rechts die Ausbilder auf dem Bürgermeister-Brinkmann-Weg in Richtung Brücke. Foto: Thomas Dohna
Links gehen die Auszubildenden, rechts die Ausbilder auf dem Bürgermeister-Brinkmann-Weg in Richtung Brücke. Foto: Thomas Dohna

Die Gruppe steuert die Brücke über die Teutoburger Straße an. Am Fuß der Rampe heißt es „Halt“. Eine kleine Konzentrationsübung haben die Ausbilder eingeplant. Jeder und jede soll einen Befehl an einen anderen Ausbilder überbringen. Der steht oben an der Brücke. Es darf schnell gehen, meinen die Ausbilder. Der ein oder andere Teilnehmer versucht zu laufen. Die schwere Ausrüstung zerrt.

Am Fuß der Brückenrampe haben die Teilnehmer einen Befehl bekommen, den sie schnellstmöglich an einen Ausbilder oben an der Brücke weitergeben sollen. Laufen ist nicht verboten. Foto: Thomas Dohna
Am Fuß der Brückenrampe haben die Teilnehmer einen Befehl bekommen, den sie schnellstmöglich an einen Ausbilder oben an der Brücke weitergeben sollen. Laufen ist nicht verboten. Foto: Thomas Dohna
Auf der Brücke über die Teutoburger Straße begegnen die Marschierenden Passanten. Die hören bei jedem Atemzug der Wehrleute das Zischen der Atemschutzgeräte. Foto: Thomas Dohna
Auf der Brücke über die Teutoburger Straße begegnen die Marschierenden Passanten. Die hören bei jedem Atemzug der Wehrleute das Zischen der Atemschutzgeräte. Foto: Thomas Dohna

Oben angekommen, nimmt der Ausbilder die Meldung entgegen. Gleich geht es weiter. Dirk Teubner mäßigt seinen Schritt nicht. An Aldi und Rewe vorbei steuert er den Marktplatz an, die Hauptstraße hinunter und in die Neue Straße. Hier werden die ersten Atenschutzgeräte Alarm schlagen. Fällt der Druck in der Flasche unter 50 bar, setzt ein mark- und beinerweichendes Pfeifen ein. Im Ernstfall soll es den Brandlärm übertönen. Beide Truppmitglieder sollen es wahrnehmen können. Es ist das letzte Signal zum sofortigen Rückzug aus dem Gefahrenbereich.

Die Gruppe biegt in die Neue Straße ein. Bis hierhin ist seit Beginn des Marsches etwa eine Viertelstunde vergangen. Auf der Neuen Straße werden die ersten Atemschutzgeräte Alarm schlagen. Foto: Thomas Dohna
Die Gruppe biegt in die Neue Straße ein. Bis hierhin ist seit Beginn des Marsches etwa eine Viertelstunde vergangen. Auf der Neuen Straße werden die ersten Atemschutzgeräte Alarm schlagen. Foto: Thomas Dohna

Auf der neuen Straße beginnt die Gruppe auseinanderzufallen. Nach und nach werden die Abstände zwischen den Wehrleuten größer. Einige können das Tempo nicht mehr aufrecht erhalten. Ausbilder bleiben an ihrer Seite, für den Notfall. Bei anderen setzt das Pfeifen ein. „Du brauchst keine Sorge zu haben“, beruhigt ein Ausbilder einen der Teilnehmer. Die Luft reiche sicher noch bis zur Wache und wenn nicht, brauche er einfach nur die Maske abzusetzen. Im Einsatz reiche die Luft immer, um noch raus zu kommen.

Auf dem Schuckenteichweg beginnt sich die Gruppe auseinander zu ziehen. Einige Teilnehmer bleiben zurück. Immer mehr Geräte beginnen zu pfeifen. Foto: Thomas Dohna
Auf dem Schuckenteichweg beginnt sich die Gruppe auseinander zu ziehen. Einige Teilnehmer bleiben zurück. Immer mehr Geräte beginnen zu pfeifen. Foto: Thomas Dohna

In der Fahrzeughalle angekommen, befreien sich die Teilnehmer von Gerät, Maske und Ausrüstung. Durchgeschwitzt sind sie. „Die Körpertemperatur kann bis auf 39 Grad ansteigen“, sagt der Lehrgangsleiter und fordert auf, viel zu trinken. Die Kleidung schütze zwar vor der Hitze eines Feuers, lasse Schwitzen aber auch nicht zu. Deswegen sei ein T-Shirt unter der Jacke ausreichend. Für den nächsten Samstag sollten die Teilnehmer besser eine Flasche Wasser mehr mitbringen, rät er. Dann werden sie unter anderem üben, wie es ist, unter Atemschutz ein Haus abzusuchen.

Nach dem Marsch werden Atemschutzgerät, Maske und Kleidung abgelegt. Unter der Ausrüstung ist es sehr warm geworden. Foto. Thomas Dohna
Nach dem Marsch werden Atemschutzgerät, Maske und Kleidung abgelegt. Unter der Ausrüstung ist es sehr warm geworden. Foto: Thomas Dohna

Atemschutzgeräteträger

Wer Atemschutzgeräteträger (ATG) werden und sein will, muss atemschutztauglich sein. Dazu muss die sogenannte „G 26/3“-Prüfung abgelegt werden. Es werden dabei das Gehör, die Sehfähigkeit und die Lunge untersucht, Blut entnommen und ein Blutbild sowie ein BelastungsEKG gemacht. Bei einer Erstuntersuchung wird oft auch eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs angeordnet. Diese Untersuchung muss alle 36 Monate wiederholt werden. Wer über 50 Jahre alt ist, muss sich jährlich untersuchen lassen. Man muss mindestens 18 Jahre alt und darf höchstens 65 Jahre alt sein. Wer eine Brille tragen muss, kann bei der Freiwilligen Feuerwehr ebenfalls ATG werden. Es gibt sogenannte Maskenbrillen. Die normale Brille kann nicht genutzt werden.

Neben den genannten Ausbildungsinhalten kommen noch das Üben weiterer Einsatzsituationen und das Absolvieren der sogenannten Strecke hinzu. Die „Strecke“ ist eine Belastungsübung unter Atemschutz und in Einsatzkleidung, die innerhalb von 25 Minuten durchlaufen sein muss. Dazu gehört fahren auf einem Ergometer, laufen auf einem Laufband, steigen auf einer Endlosleiter und ein Durchlauf durch die Kriechstrecke, einem vernebelten, dunklen und überhitzten Käfiglabyrinth. Die „Strecke“ müssen alle ATG jährlich hinter sich bringen und bestehen.

Im Einsatz werden ATG mehrfach überwacht. Einmal durch den Alarm am Gerät selbst, dann aber auch durch die sogenannte Atemschutzüberwachung. Die ATG werden von einer dafür eingeteilten Einsatzkraft regelmäßig per Funk aufgefordert, ihre Flaschendrücke anzugeben. Erreicht der Druck im Minimum 100 bar, muss der Rückzug angetreten werden. Das kann auch schon vorher sein, zum Beispiel, wenn für den Weg an die Einsatzstelle überdurchschnittlich viel Luft gebraucht worden ist. Sollte etwas schiefgehen, steht immer ein Sicherungstrupp unter Atemschutz bereit.

ATG werden auch bei sogenannten ABC-Einsätzen gebraucht, also dann, wenn der Austritt von giftigen Stoffen in die Luft befürchtet wird. Dann kommt in bestimmten Situationen zur Einsatzkleidung noch ein gasdichter Ganzkörperanzug hinzu. Um für den Einsatz bei ABC-Lagen geeignet zu sein, müssen weitere Lehrgänge absolviert werden.

Videotipp

Eine Redakteurin der Oberhessischen Presse hat einem ATG-Lehrgang in Marburg absolviert und darüber zwei flotte und unterhaltsame Videos gedreht.

Teil 1

Teil 2