Am Mühlenbach wird größer gebaut als gehofft
Schuckenbaum (ted). Horst Koring ist sauer. Er blickt aus dem Fenster seines Dachgeschosses auf die andere Seite der Straße. Dort entstehen auf einem ehemaligen Bolzplatz fünf Häuser. Koring hatte die Proteste gegen die Bebauung des Bolzplatzes mitbegleitet und für die Nachbarn gesprochen. Das tut er auch jetzt. Er fühlt sich angesichts der Größe der entstehenden Häuser hintergangen.
Mehr als sechs Jahre ist es her, dass sich im Herbst 2016 eine Schar Kinder auf dem Bolzplatz am Mühlenbach versammelte. Zuvor hatte die Gemeindeverwaltung unter einem Vorwand Spielgeräte abräumen lassen. Sie sollten in die Wartung, hatte die Verwaltung behauptet. Später stellte sich heraus, dass es für den Bolzplatz längst Überlegungen gab, ihn zu bebauen.
Die Fläche gehörte zwei Schuckenbäumern. Sie hatten sie an die Gemeinde verpachtet, die darauf einen Bolz- und Spielplatz anlegte. Mit den Jahren und Jahrzehnten entwickelte sich ein dichter und hoher Baumbestand. Kinder und Jugendlich nutzten die Fläche mal mehr, mal weniger, je nachdem, wie viele Kinder und Jugendliche in der Siedlung wohnten. Schon 2007 hatte einer der Eigentümer einen Antrag zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für den Bereich der Fläche gestellt, auf dem sich der Spielplatz befand. Diesen Antrag lehnte der Gemeinderat ab.
Im Jahr 2015 müssen die Überlegungen zwischen Gemeinde, Eigentümer und einem Investor begonnen haben, die Fläche zu verwerten. Zum Ende des Jahres 2016 lief der Pachtvertrag aus. Die Gemeinde ließ trotz aller Proteste Bäume, Büsche und Spielgeräte abräumen, obwohl die Gemeindeverwaltung unter der Führung des damaligen Bürgermeisters Gerhard Schemmel und des damaligen Fachbereichsleiters Hermann Oortman beteuerte, nicht zu wissen, was die Eigentümer planen. Der Hauptausschuss der Gemeinde lehnte einen Antrag der Anwohner ab, eine Ersatzfläche für den Bolzplatz bereitzustellen. Etliche Anwohner hatten dem Platz als einen der Gründe benannt, nach Schuckenbaum zu ziehen.
Zur gleichen Zeit wurde klar, dass einer der Eigentümer zumindest den Bolzplatz bebauen lassen wollte. Der Platz galt damals noch als sogenannter Außenbereich, in dem Bauen verboten ist. Die Politik beschloss, dass die Fläche des Spielplatzes mit einem Zaun versehen werden sollte. Der wurde nie gebaut. Für diese Fläche würde der andere Eigentümer ebenfalls einen Antrag auf Änderung des Bebauungsplans einreichen, hieß es hinter vorgehaltener Hand.
Im Sommer 2016 kam zu Tage, dass die Gemeinde Bodenproben genommen und dann das Vorkaufsrecht für die Grundstücke nicht wahrgenommen hatte. Es war Bauschutt und auch Öl gefunden worden. Das Öl könne aus weggeworfenen Mopeds stammen, so genau wisse man das aber nicht, hieß es damals. Ältere Anwohner erinnerten sich, dass beim Bau der Felix-Fechenbach Gesamtschule mit dem dort ausgehobenen Boden der Schuckenteich aufgefüllt worden sei. Darauf sei dann der Bolzplatz entstanden. Mehrere hundert Lkw-Ladungen seien hier abgekippt worden. Im März 2018 legte die Verwaltung das Gutachten offen. Die Gutachter waren an einer Stelle auf kohlenwasserstoffhaltige Rückstände, darunter den krebserregenden Stoff Benzapyren, gestoßen. Die Untersuchungen ergaben, dass die Grenz- und Vorsorgewerte für Kinderspielplätze an der Oberfläche weit unterschritten werden. Das sehe unterhalb der Oberfläche anders aus. Sie empfahlen, den Boden bis zu einem Meter auszukoffern und Schutzschichten sowie Gasdrainagen einzubauen.
Vor der Eröffnung des formalen Bebauungsplanverfahrens legten die Planer vom Büro Drees & Huesmann im Auftrag des Investors, eine Bauuntenehmens aus Bielefeld, ihre Vorschläge für eine Bebauung vor. An der Ecke Am Mühlenbach/Schuckenhofstraße sollte ein Mehrfamilienhaus entstehen. Entlang der Straße Am Mühlenbach sollen fünf oder sechs Einfamilienhäuser gebaut werden können. Die Anwohner kämpften um Höhen und Breiten für die Häuser, die Baufenster im Bebauungsplan wurden großzügig geschnitten, mit dem Hinweis, es werde so sicher nicht gebaut werden.
Wenn Horst Koring aus seinem Dachfenster schaut, ist er der Ansicht, dass genau das geschehen ist: Inverstor und Bauherren haben alle Möglichkeiten des Bebauungsplans ausgenutzt. Von den einst gezeigten Ansichten sei wenig geblieben und auch nicht von der versprochenen lockeren Bebauung. Auch der im Bebauungsplanverfahren geforderte Bodenaustausch sei unterblieben. Die Bauherren der Häuser hätten eigene Bodengutachten beigebracht, nach denen ein Bodenaustausch nicht mehr nötig war, habe der Kreis ihm, Koring, mitgeteilt.
Koring und seine Nachbarn schauen nun auf 18 Meter breite Häuser. „Die Häuser stehen dicht an der Straße und haben jeweils eine Grundfläche von über 200 Quadratmetern mit zwei Vollgeschossen“, stellt er fest. Die im Bebauungsplan angelegten Baufelder würden voll ausgenutzt. Dazu würden noch „mächtige“ Garagenanlagen gebaut. Zwischen den Gebäuden bleibe jeweils nur eine kleine Lücke. Im Bebauungsplan seien zwei Grundflächenzahlen (GRZ) festgelegt worden, eine für die Häuser selbst (GRZ 0,3) eine für die Nebenanlagen (GZZ 0,45). Damit könnten 45 Prozent der Grundstücksflächen überbaut werden. „Die Architekten haben wohl das maximale an Quadratmetern aus den Grundstücken herausgequetscht“, meint Koring.
„Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wird ja noch an einem Vier-Familien-Haus gebaut“, schimpft Koring. Das werde ganz eng in die Ecke Schuckenhofstraße / Am Mühlenbach gesetzt. Daneben entstehe ein zweites Vier-Familien-Haus. Dort war in einem ersten Entwurf ein Zehn-Familienhaus vorgesehen. Das lehnte die Politik mit Hinweis auf dessen Größe ab, ließ aber ein Vier-Familienhaus zu. Der Investor nutzte das Bau- und Planungsrecht aus, teilte das Grundstück und bekam so das Recht, zwei Vier-Familienhäuser zu bauen. „Mit aufgelockerter Bebauung hat das, was hier jetzt entsteht, wohl rein gar nichts zu tun“, meint Koring. „Wir haben jetzt hier genau die Situation, vor der wir Altanlieger schon von Anfang an gewarnt haben und die niemand der Anwohner hier haben wollte“, stellt er fest, genau darauf hätten die Anwohner im Mai 2018 hingewiesen.
Den versprochenen Spielplatz gebe es immer noch nicht, sagt Koring. Dort, wo er sein soll, wuchert eine freue Fläche vor sich hin. „Auf den warten die Kinder nun schon seit fünf Jahren.“ Ein Großteil von ihnen braucht den Spielplatz nun wohl nicht mehr. Aber es kämen ja hoffentlich neue Kinder.
Korrekturhinweis
Die im ersten Foto gezeigten Ansichen der Häuserzeile haben die Anwohner erarbeitet und dem Bauausschuss vorgeschlagen und nicht das Planungsbüro. Auf diese falsche Zuordung hat uns Horst Koring hingewiesen.
Wir haben außerdem präzisiert, dass das Planungsbüro vom Investor und nicht von der Gemeindeverwaltung mit der Ausarbeitung des Bebauungsplanes beauftragt worden ist. Hier sind die Vorschläge des Investors nachzuschauen.