Geschichte von unten

Leos Kino-Aktiver Ulrich Schumann weist auf gute Filme hin. Foto: Edeltraud Dombert/Montage: Thomas Dohna
Leos Kino-Aktiver Ulrich Schumann weist auf gute Filme hin. Foto: Edeltraud Dombert/Montage: Thomas Dohna

Filmtipp von Leos Kino

von Ulrich Schumann

„Small Axe“: eine beeindruckende Filmreihe der BBC erzählt die Geschichte afroamerikanischer Einwanderer in London / ein Filmtipp von Leos Kino

Wozu der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Lage sein kann, führt uns in diesen Tagen die BBC vor. Während das ZDF mit bösartigen Schwarmintelligenzen baden geht, legen uns die Briten eine Filmreihe über schwarze Einwanderer in London vor. Die engagierte, intelligente und sehenswerte Anthologie steht jetzt bis Mitte April kostenlos in der ARD-Mediathek. Der TV-Stoff für die Ostertage ist gesichert!

Filme über die Situation der Afroamerikaner in den USA gibt es viele, über die Lage der westindischen Einwanderer in London wissen wir wenig. Ab 1948 wurden Bewohner der britischen Commomwealth-Inseln in der Karibik nach Großbritannien gelockt. Sie dienten als billige Arbeitskräfte. Auch die Eltern des Regisseurs Steve McQueen gehörten dazu. McQueen gelang mit seinem drastischen Werk „12 Years A Slave“ zu Weltruhm.

Mit der Filmreihe „Small Axe“, die ursprünglich als Serie geplant war, erzählt er nun die Geschichte seiner Community. Fünf Filme, die alle inhaltlich unabhängig voneinander und doch durch bestimmte Leitmotive miteinander verwoben sind, zeigen uns die Situation der Migranten in den 1960ern, 1970ern und 1980ern. Die Filme dauern zwischen 60 und 130 Minuten und sind stilistisch komplett unterschiedlich.

Mit „Mangrove“, dem ersten und längsten Film, gelingt McQueen gleich ein großer Wurf. Der Film beleuchtet den Gerichtsprozess gegen die sogenannte „Mangrove-Neun“, die in Notting Hill der Anstiftung zum Aufruhr angeklagt wurde. Der Prozess gerät zu einer generellen Auseinandersetzung mit rassistischer Polizeigewalt, die am Ende auch das Gericht einräumen muss.

Fortgesetzt wird „Small Axe“ mit dem Partyfilm „Lovers Rock“, ein Werk, das sich ganz von Atmosphäre und Stimmungen leiten lässt: Hier findet sich die vielleicht beste Szene der Reihe. Regisseur Steve McQueen zeigt eine Hausparty im London der 1970er-Jahre. Das Wohnzimmer ist rappelvoll, Rauchschwaden ziehen durch den Raum, die Musik dröhnt. Die Kamera ist wie entfesselt: sie bewegt sich langsam durch den Raum, umkreist die Tanzenden und die Zuschauenden sind mittendrin in einer Party der zweiten Generation westindischer Einwanderer in London. Und die wissen, wie man feiert!

Viel zu entdecken gibt es auch in „Red, White And Blue“, in dem der schwarze Polizist Leroy Logan versucht, die Polizei von innen heraus zu verändern. Sehr persönlich sind die Filme „Alex Wheatle“ und „Education“ geraten, in denen McQueen auch biografische Motive verwebt. Die BBC strahlte die fünf Filme im Dezember 2020 zur besten Sendezeit aus. Die Ausstrahlung war umjubelt. Kritiker vergleichen die Reihe mit „Heimat“ von Edgar Reitz, der in Deutschland in den 1980er-Jahren Maßstäbe setzte und ebenfalls ein Stück Geschichte mit großer filmischer Vielfalt unterhaltsam und doch anspruchsvoll erzählte. „Small Axe“ steht nun bis Mitte April kostenlos in der ARD-Mediathek bereit. Aber auch nach Mitte April kann die Reihe zum Beispiel bei Amazon Prime Video für wenig Geld gestreamt werden.

https://www.ardmediathek.de/serie/Y3JpZDovL3dkci5kZS9vbmUvc21hbGxheGU

https://www.amazon.de/dp/B09KF3P4RQ