Frech, originell und relevant
Die Reihe mit jungen deutschen Filmen in der ZDF-Mediathek überrascht und macht richtig Spaß. Ein Filmtipp von Leos Kino
Von Ulrich Schumann
Mit dem deutschen Film ist es so eine Sache: Befindlichkeitsdramen wechseln mit platten Komödien, gerne noch ein wenig Alpenglühen und dann geschieht irgendwo ein Mord – furchtbar! Umso schöner ist die „Shooting-Stars-Reihe“ der renommierten Redaktion „Das kleine Fernsehspiel, die gerade das ZDF-Hauptprogramm rockt und die noch bis Anfang November in der ZDF-Mediathek abgerufen werden kann. Hier können sich junge deutsche Talente richtig austoben. Und das Ergebnis macht Lust auf mehr. Leos Kino stellt die Highlights der Reihe vor.
Berlin Alexanderplatz
Man kann gar nicht genug darüber staunen, wie Regisseur Burhan Qurbani den Literaturklassiker von Alfred Döblin in die Gegenwart katapultiert. Hier ist es nicht der Ex-Sträfling Franz Biberkopf, der sich im veränderten Berlin zurechtfinden muss, sondern es ist der Geflüchtete Francis, der ein neues Leben beginnen will. Doch schnell gerät Francis an Drogendealer Reinhold und Francis Neustart nimmt eine erstaunliche Wendung.
Nie war Albrecht Schuch so gut wie hier und Jella Haase liefert eine Gala-Vorstellung ab. Unter den Händen Qurbanis wird der fast einhundert Jahre alte Stoff zum brandheißen Kommentar aktueller Begebenheiten. Obwohl der Film fast drei Stunden lang ist, ist er keine Minute zu lang. Sehenswert!
Der menschliche Faktor
Der Horror lauert hier auf vielen Ebenen: Nachdem Jan den Auftrag einer rechtspopulistischen Partei ohne Rücksprache angenommen hat, beschließt Ehefrau Nina aus der gemeinsamen Werbeagentur auszusteigen. Auch in der Ehe der beiden kriselt es. Ein gemeinsamer Urlaub mit den beiden Kindern an der belgischen Küste soll retten, was zu retten ist. Doch im Ferienhaus häufen sich mysteriöse Vorfälle.
Ronny Trocker verhandelt in seinem atemberaubenden Film existenzielle Fragen vor zeitaktuellem Kontext. Mark Waschke und Sabine Timoteo spielen ein Paar, dessen Überzeugungen und Werte ins Wanken geraten. „Der menschliche Faktor“ ist ein Film mit leisen Stimmungen, die jederzeit explodieren können. Atemberaubend!
Le Prince
Lisa Bierwirth verfilmt in „Le Prince“ persönliche Erlebnisse: Im Frankfurter Bahnhofsviertel lernen sich durch einen Zufall Monika und Joseph kennen. Beide sind Mitte Vierzig, aber hier enden auch schon die Gemeinsamkeiten. Monika ist Kuratorin und in der Kunstszene Frankfurts bestens vernetzt, Joseph stammt aus dem Kongo und handelt mit Diamanten. Das ungleiche Paar erlebt die große Liebe, doch nach und nach machen sich die Unterschiede bemerkbar. Kann die Liebe kulturelle Differenzen überwinden?
„Le Prince“ ist ein nachdenklicher, sehr reflektierter Film über Postkolonialismus und seine Folgen, die bis in das Privatleben dringen können. Lisa Bierwirth gelingt eine ganz eigene Filmsprache. „Le Prince“ lief im Wettbewerb des Filmfestivals Karlovy Vary, einem der größten Festivals Europas.
Zur Reihe „Shooting Stars“ gehören vier weitere Filme, die noch bis mindestens Anfang November kostenlos in der ZDF-Mediathek abrufbar sind.