„Das Dämmen ist das Wichtigste“

Matthias Ansbach von der Verbraucherzentrale zum Gebäudeenergiegesetz

Leopoldshöhe (liw). Das Gebäudeenergiegesetz tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft. Es soll frühere Gesetze zur Wärmewende überarbeiten und vereinen. Auf dem Weg bis zum Beschluss wurde die Umsetzung heiß diskutiert. Zeitweise so heiß, dass das Vorhaben bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Verwirrung und Unverständnis geführt hat. Matthias Ansbach ist Energieberater der Verbraucherzentrale im Kreis Lippe. Er erklärt, wie sich das, was wirklich im Gesetz steht, auswirkt. 

Welche Heizung darf ich ab 2024 noch einbauen? 

Matthias Ansbach: Ab 2024 kann ich auch aktuell noch ohne Weiteres eine Gasheizung verbauen. Das gilt, solange die kommunale Wärmeplanung noch nicht abgeschlossen ist. Die Stichtage liegen für Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern am 30. Juni 2026 und bei kleineren am 30. Juni 2028. Diese Anlage sollte dann aber in der Lage sein, auch regenerativ nachgerüstet werden zu können. Also eine Gasheizung könnte in fünf bis zehn Jahren dann um eine Wärmepumpe ergänzt werden. Alle Einschränkungen betreffen aktuell nur Neubaugebiete. Dort müssen regenerative Energien verbaut werden. 

Was ist mit bestehenden Anlagen? 

Ansbach: Bisher ist es so, dass Anlagen, die ein gewisses Alter erreicht haben, sagen wir 30 Jahre, nach der Energieeinsparverordnung ausgetauscht werden müssen. Das gilt nicht für Niedertemperatur- und Brennwertheizungen. Die wurden seit den neunziger Jahren verbaut und sind bis heute gängige Formen der Öl- und Gasheizungen. Diese Niedertemperatur- und Brennwertheizungen sind momentan laut Gesetzestext ausgenommen. Das heißt, wenn diese Heizung dreißig Jahre alt wird, unterliege ich damit nicht zwingend einer Austauschpflicht. Das macht das Ganze so kompliziert. Viele Verbraucher gucken jetzt auf das Datum ihres Schornsteinfegerprotokolls, wo steht, dass meine Heizung jetzt 32 Jahre alt ist. Im ursprünglichen Entwurf hätte ich diese ab Januar 2024 austauschen müssen. Das ist jetzt aber nicht der Fall. Dementsprechend ist der panische Austausch nach dem Motto „schnell noch eine Gasheizung einbauen, solange ich noch darf“ totaler Blödsinn. 

Was raten Sie denen, die genau das überlegen?

Ansbach: Im Frühjahr habe ich mit befreundeten Heizungsbauern gesprochen, die mir gesagt haben, dass sie noch nie so viele Öl- und Gasheizungen verkauft haben. Im Sommer sind die Leute aber reihenweise wieder abgesprungen. Das Gesetz war während des Sommers so ein Mysterium, dass niemand mehr handeln wollte. 

Wenn ich jemand bin, der mit einem Einfamilienhaus 3.000 Liter Öl oder 30.000 Kilowattstunden Gas verbraucht, kann ich natürlich jetzt umbauen. Ich würde mir einreden, dass ich mit einer neuen Gasheizung besser aufgestellt bin. Das ist aber falsch. Ab 2027 soll der EU-Zertifikatehandel für CO₂ auf Wohngebäude ausgeweitet werden. Das heißt, dass voraussichtlich neben der bestehenden CO₂-Abgabe, die 2025 bei 30.000 Kilowattstunden etwa 500 Euro ausmachen wird, ungefähr dieselbe Höhe auf EU-Basis nochmal dazu kommen könnte. Es entstehen also bis zu 1.000 Euro Mehrkosten. Also ganz grob ein 3,5 Cent höherer Gaspreis. Für alle, die hoffen, dass das Gas nochmal günstiger wird, wird das allein durch diese Abgabe zu Nichte gemacht. 

Wir müssen es sehen, wie es ist: Wenn Leute an ihre Heizung gehen, bevor es technisch oder gesetzlich notwendig wird, dann nur, weil es sehr gute Förderungen gibt. Die Förderungen lagen bei 40, 50, teilweise sogar 60 Prozent. Heutige Heizungen, egal welche Technologie, haben eine realistische Lebensdauer von etwa 15 bis 20 Jahren. Die Anlagen werden heute sehr schnell entwickelt. Das führt schneller dazu, dass man keine Bau- und Ersatzteile mehr bekommt. Wenn ich jetzt meine fünf oder zehn Jahre alte Heizung rausschmeiße, in der Hoffnung, die nächsten 30 Jahre Ruhe zu haben, werde ich relativ sicher enttäuscht.

Was kann man sonst machen?

Ansbach: Dämmen. Wer wenig verbraucht, dem kann relativ egal sein, was er verbraucht. Deswegen auch lieber die Heizung, wenn sie denn läuft, laufen lassen und das Geld besser anders investieren. Wenn ich den Verbrauch halbiere, kann ich meine Öl- oder Gasheizung auch gut noch fünf oder zehn Jahre weiter betreiben. Damit bin ich übrigens auch für die Zukunft und auf neue Technologien besser vorbereitet. 

Sie haben gesagt, dass sich für viele gerade noch gar nicht so viel ändert. Gab es dann viel heiße Luft um nichts?

Ansbach: Nein, die Änderungen sind schon gravierend. Was erreicht werden soll, ist die Umstellung von einem fossilen auf ein regeneratives Heizungssystem. Dazu wurde die Wärmepumpe lange als das Mittel propagiert. Die technischen Vorteile liegen auf der Hand. Hätten wir in Deutschland ein vernünftiges Kabelnetz, müsste nur noch das aufrecht erhalten werden. Und nicht mehr wie jetzt ein Gasnetz, ein Kabelnetz und irgendwelche Ölsicherungsmaßnahmen. 

Wie viele Eigentümer suchen gerade Rat bei Ihnen, wie hoch ist die Nachfrage?

Ansbach: Bis Ende Juni war ich im reinen Notfallbetrieb. Die Nachfrage ist aber schon seit Beginn der Corona-Pandemie gestiegen. Eine Rekordzahl: Wir hatten die höchste Anzahl von Beratungen in Nordrhein-Westfalen aller Zeiten bei der Verbraucherzentrale. Die Leute haben sich wieder für ihr Haus interessiert, weil sie sich viel länger darin aufgehalten haben. Weil große Urlaube nicht mehr möglich waren, wurde ins eigene Haus investiert. Auch Baumärkte haben gesagt, dass es so gut noch nie geboomt hätte. 

Wie haben Sie die Diskussion ums GEG dann erlebt?

Ansbach: Ab dem Herbst 2021 hatten wir die ersten Anbieter, die Leute aus den Verträgen geschmissen haben. Da ist bei uns eine Reklamation nach der nächsten eingegangen, die dann an die Rechtsberatungsstelle gingen. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind die Menschen in einen Sorgenmodus, manche in einen Panikmodus gefallen. Die Beweggründe waren dann nicht mehr, dass man ökologisch oder wirtschaftlich etwas tun wollte, sondern ganz klar Versorgungsängste. Plötzlich kam ein Klientel dazu, die kein Vertrauen mehr in den Stadt hatte und möglichst unabhängig werden wollte. Das zog dann durch bis Mai/ Juni diesen Jahres als die Leute langsam in die Sommerferien und die Politik in die Sommerpause ging. Von 20 bis 30 Beratungen die Woche, mache ich jetzt nur noch fünf. 

Wir nehmen jetzt mal ein Rechenbeispiel mit 10.000 Kilowattstunden Gas. Im Jahr 2021 haben Sie für eine Kilowattstunde ungefähr sieben Cent bezahlt. Das macht 700 Euro für 10.000 Kilowattstunden – das sind dann Ihre Gaskosten im Jahr. Im Jahr 2022 schlägt der eine Preis den nächsten – steigt in Nordrhein-Westfalen auf die 30 Cent. Viele hatten da ihren alten Vertrag aber noch ein halbes, manche sogar ein ganzes Jahr laufen. Viele haben also weiterhin für ein halbes Jahr sieben Cent für 5.000 Kilowattstunden gezahlt – sprich 350 Euro.

Überraschung bei der nächsten Abrechnung

Fürs zweite Halbjahr dann 20 Cent, also 1.000 Euro. Insgesamt 1.350 Euro. Dann hat der Staat eingegriffen und einen Abschlag gezahlt, um die Preise zu senken. Für das Beispiel sagen wir mal 150 Euro.  Es müssen also 1.200 Euro gezahlt werden. Durch einen Abschlag wurden vermutlich 1.600 Euro gezahlt und der Verbraucher hat 400 Euro wiedergekriegt. Da haben die Leute nicht gesagt, dass sie weniger Kilowattstunden verbraucht haben, sondern, dass sie von ihrem Versorger Geld zurückbekommen haben. 

Im Jahr 2023 gab es eine Gaspreisdeckelung auf 80 Prozent bei zwölf Cent. 80 Prozent von 10.000 Kilowattstunden bei dem Preis macht 960 Euro. Die restlichen 20 Prozent konnten Ihnen aber für 20 Cent verkauft werden. Also nochmal 400 Euro. Die Leute denken im Moment es sei alles beim alten, dabei kommen die Überraschungen erst mit der nächsten Gasabrechnung. Das haben viele nicht auf dem Schirm. 

Wie entwickelt sich denn der Öl- und Gaspreis voraussichtlich?

Ansbach: Die CO₂ Abgabe habe ich schon erwähnt. Wenn in Zukunft immer weniger Gas abgenommen wird, weil Leute umbauen oder ihre Häuser dämmen, dann lastet der Gaspreis auf weniger Schultern. Das Gasnetz muss in Betrieb gehalten werden. Sagen wir die Instandhaltung des Gasnetzes in Leopoldshöhe liegt im Jahr bei 1.000.000 Euro – nur als Beispiel. Reduziert sich jetzt der Gasbedarf um 50 Prozent, werden die Netzendgelte für die Verbraucher deutlich teurer – nämlich verdoppelt. Und das, während natürlich auch der Gaspreis an sich steigt. Lieferungen kommen zukünftig wahrscheinlich aus Quatar oder aus den USA.

Wenn es immer teurer wird und die Leute das gar nicht so genau wissen, ist das neue Gesetz dann nicht total gut und fast schon im Sinne der Verbraucher?

Ansbach: Lassen Sie mich ein Beispiel machen: Ich unterstelle, dass ein Haus 30.000 Kilowattstunden Energie benötigt. Also reden wir von 30.000 Kilowattstunden Gas oder ungefähr 3.000 Litern Öl. Das wäre ein klassisches siebziger, vielleicht achtziger Jahre Haus mit 150 Quadratmetern. Da ist über die Zeit ein bisschen was dran gemacht worden, es wurden beispielsweise neue Fenster verbaut. Darin wohnt jetzt eine vierköpfige Familie mit einem normalen Energiebedarf. Jetzt geht die alte Heizung kaputt und es gibt zwei Optionen: eine neue Gasheizung oder eine Wärmepumpe. 

Eine neue Gasheizung kostet zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Nehmen wir die goldene Mitte von 12.500 Euro. Der Gasverbrauch wird durch Einsparmaßnahmen auf 25.000 Kilowattstunden reduziert. Der Gaspreis liegt gerade bei etwa zehn Cent, in Zukunft im Mittel aber eher bei 15 Cent.  Dann bin ich irgendwo zwischen 2.500 und 3.750 Euro. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit. Wir erinnern uns: In den nächsten Jahren wird der Gaspreis steigen. Es wird also definitiv teurer. Realistisch sind also die 15 Cent. Rechnen wir das mal auf zehn Jahre und addieren den Preis der Heizung, dann kommen wir auf 50.000 Euro. 

Das Dämmen ist das Wichtigste

Zum Vergleich die Option Wärmepumpe. Da kostet der Einbau etwa 30.000 Euro. In diesem Jahr liegt die Förderung bei 40 Prozent. Ich hätte also 18.000 Euro investiert. Diese Wärmepumpe hat jetzt eine Jahresarbeitszahl von 3,0 – das heißt, pro Kilowattstunde Strom drei Kilowattstunden Wärme. 25.000 Kilowattstunden Wärme brauchen also grob gerechnet 8.500 Kilowattstunden Strom. Sagen wir der Heizstrompreis liegt bei 30 Cent. Dann kommen wir auf 2.600 Euro. Das auf zehn Jahre gerechnet macht 26.000 Euro plus die 18.000 Euro Invest, macht 44.000 Euro. 

Also obwohl wir hier von einem hohen Verbrauch ausgehen, sind wir mit der Wärmepumpe günstiger als mit der neuen Gasheizung. Die Investition in die Wärmepumpe ist teurer, aber die langfristige Unterhaltung ist vergleichsweise günstig. 

Rechnet man das Ganze aber auf 10.000 Kilowattstunden Verbrauch, habe ich mit den gleichen Preisen bei einer Gasheizung 1.500 Euro Kosten und mit einer Wärmepumpe 1.050 Euro Kosten. Auf zehn Jahre gerechnet also 15.000 Euro für die Gasheizung und 10.500 Euro für die Wärmepumpe. Da habe ich aber auch 18.000 Euro investiert, bei der Gasheizung nur 12.500 Euro. Es wird deutlich: Irgendwann kehrt sich das um. Das führt mich wieder dazu, dass es vollkommen egal ist, was ich verbrauche, wenn ich wenig verbrauche. Das Dämmen ist also das Wichtigste. 

Was könnte eine bessere Dämmung im Rechenbeispiel verändern?

Ansbach: Im selben Haus würde eine Außendämmung vielleicht 30.000 Euro kosten. Damit können von den 30.000 Kilowattstunden 10.000 Kilowattstunden eingespart werden, also ein Drittel des Bedarfs. Die Förderung vom Staat würde ungefähr bei 5.000 Euro liegen. Also 25.000 Euro Investition. Sagen wir, es gibt im Haus eine Gasheizung, die noch zehn Jahre halten kann. Bei einem Gaspreis von zehn Cent bin ich in zehn Jahren bei 10.000 Euro, in 20 Jahren bei 20.000 Euro und in 25 Jahren bei 25.000 Euro, die ich an Gaskosten einspare. Dann habe ich die Investition in die Dämmung wieder ausgeglichen.

Weil es bei der Heizung eine viel höhere Förderung gibt als bei der Dämmung, wird diese auch eher ausgetauscht. Die Lebenserwartung einer Außenwanddämmung liegt bei circa 40 Jahren und länger. In derselben Zeit tauscht man zwei bis drei Mal die Heizung aus.  Das sind aber auch zwei bis drei Investitionen, meistens zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Deshalb ist es durchaus interessant, in Richtung Dämmung zu denken. Und mich ärgert, dass Dämmung und Energieeffizienz in dem ganzen Thema so verloren geht. 

Wie sehen denn Förderungen auf neue Heizungsanlagen aus?

Ansbach: Jetzt gibt es eine Zuschussförderung, früher gab es eine Kreditförderung. Das heißt, dass die Leute heute erstmal die 15.000 Euro für eine neue Heizung haben müssen. Im neuen Jahr sollen Förderungen für Heizungsanlagen, gerade für einkommensschwache Haushalte mit einem Jahreseinkommen bis 40.000 Euro, bis zu 70 Prozent möglich sein. Das betrifft häufig eben auch die Rentner, die ja nur schwer Kredite bekommen. Nach derzeitigen Entwürfen soll die Basisförderung bei 30 Prozent liegen. Und das soll dann aber möglichweise auch wieder als Kreditvariante laufen. Wer das Geld rumliegen hat, der hat sowieso nicht das größte Problem. 

Wie bewerten Sie die Wärmepumpe als das Mittel der Wahl?

Ansbach: Wir können die Wärmepumpe nur positiv bewerten, wenn wir wissen, wo der Strom herkommt. Wenn der Strom dafür aus fossilen Energieträgern kommen muss, dann ist das auch nicht besser als das Heizen mit Öl- und Gas. Es wird zwar immer erneuerbarer, aber da sind wir noch lange nicht am Ziel. Wenn ich aber Strom einspare, habe ich ganz real etwas beigetragen. Das Umdenken muss Richtung Dämmung und Energieeffizienz gehen. Eine klimafreundliche Heizung macht alles andere nicht völlig egal. Diese Grundaussage ist falsch.

Was ist aus Ihrer Sicht auf dem Weg zum fertigen Gesetz schief gelaufen?

Ansbach: Die Kommunikation war schlecht gemacht. Das meint aber die Kommunikation der Regierung und die der Opposition. Ich möchte niemanden in Schutz nehmen, auch handwerklich gab es große Fehler. Auch ich selber mit einem technischen Verständnis von der Sache, verstehe nicht, warum man nicht mehr auf die Dämmung setzt. Dann kann ich später auch einfacher Wärmepumpen einbauen. Aber kommunikativ wurden einfach falsche Botschaften übermittelt. Nach dem Motto „man nimmt mir die Macht über meinen Keller“ wurde den Leuten Angst gemacht. Auch der Streit innerhalb der Regierung hat dem Ganzen nicht gut getan.

Und mich stört auch die Diskussion um die Wasserstofftechnologie. Das wird real in unseren Regionen nicht passieren. Es wird benötigt für die Industrie und den Schwerlastverkehr und nicht für das Beheizen von ineffizienten Häusern. Es wird einige Testregionen geben, aber bei uns kann man damit nicht flächendeckend arbeiten. Dass das als realistische Alternative kommuniziert wurde, ist Unsinn. Da ist viel durch die Kommunikation kaputt gemacht worden. Denn natürlich leistet das Gesetz einen Betrag zur Energiewende und das ist erstmal sehr gut. 

Dieser Text ist der zweite einer Reihe zur Wärmeversorgung in Leopoldshöhe und zum neuen Gebäudeenergiegesetz. Der dritte Teil erscheint in den kommenden Tagen. Weitere Teile folgen. Bisher erschienen:
Wie das Heizungsgesetz in Leopoldshöhe wirkt