Uns geht’s ja noch Gold

Foto: Martin Düsterberg
Foto: Martin Düsterberg
Von Thomas Dohna

Die älteren unter uns, die sogenannten Boomer, werden sich noch erinnern. Als wir, die geburtenstarken Jahrgänge jung waren (tatsächlich, das waren wir auch) flimmerte eine Serie über die Bildschirme. Der Mehrteiler Ein Kapitel für sich erzählte die Geschichte der Familie Kempowski aus Rostock. Ich erinnere mich noch gut an eine Szene.

Da sitzen Gerda Kempowski (unsagbar gut gespielt von Edda Seipel) und ihre Familie auf einem Balkon ihres Hauses in Rostock. Die sowjetische Armee war 1945 gerade in Rostock einmarschiert. Die Reederfamilie Kempowski hatte die Plünderungen zwar relativ unbeschadet überstanden, litt dennoch unter Mangel an Lebensmitteln und Heizmaterial und dem Verlust von Verwandten und trauerte. Unten auf der Straße ziehen Flüchtlinge und Vertriebene aus Ostpreußen vorbei. Da sagt Greta Kempowski diesen Satz: „Uns geht’s ja noch Gold“.

Trotz aller Warnungen

Daran muss ich in diesen Tagen oft denken. Seit 2020 erleben wir ein Krisenjahr nach dem anderen. Erst zwei Jahre Pandemie mit Lockdowns, Unsicherheiten und Stress, dann fast zwei Jahre Angriff Russlands auf die Ukraine, dessen Folgen über hohe Energiepreise und Inflation bis in unsere Portemonnaies schwappt. Die jeweiligen Regierungen versuchen, das Beste aus so noch nie dagewesenen Situationen zu machen.

Sicher sind in der Rückschau viele Fehler gemacht worden. Heute wissen wir, dass Schulen und Kindergärten während der Pandemie nicht hätten geschlossen werden müssen. Wussten wir das damals genauso sicher wie heute, da wir valide Zahlen haben? Heute wissen wir auch, dass die enge Gasbindung an Russland ein Fehler war. Aber wir haben doch die ganze Zeit trotz aller Warnungen der Osteuropäer im Baltikum und in Polen billiges Gas gehabt.

Demokratiefeindliche Kräfte

Vieles ist seit dem 24. Februar 2022 mit der heißen Nadel gestrickt worden, wie das sogenannte Heizungsgesetz. Immer noch sind wir im Krisenmodus, jetzt verschärft durch eine offensichtlich untaugliche Schuldenbremse im Grundgesetz und eine Opposition im Bundestag, die lieber auf Parteipolitik setzt als auf das Wohl des Staates und damit demokratiefeindlichen Kräften Vorschub leistet. Wir selbst sind erst jüngst wieder einmal von Menschen dieser Kräfte bedroht worden. Sie meinten, eine bessere Kontrolle der Presse sein nötig, damit die richtigen Nachrichten verbreitet würden.

Eine weitere Krise schwebt buchstäblich über unseren Köpfen. Unsere Landwirte beobachten die Veränderungen des Klimas schon seit einiger Zeit: die langen Trockenperioden, jetzt die nicht aufhörenden Niederschläge, die Ernte und Neubestellung der Äcker nur unter großen Schwierigkeiten möglich macht. „Das haben wir so noch nicht erlebt“, sagen uns Landwirte immer wieder. Das bei uns ansässige Saatgutunternehmen entwickelt schon lange Sorten, die den Folgen des menschengemachten Klimawandels widerstehen können.

Pläne verschieben

Dagegen stehen die Bilder aus der Ukraine, die vom Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und die aus dem Gaza-Streifen. Dagegen stehen die Bilder der weinenden Soldaten-Mütter aus Russland und der Ukraine oder der protestierenden Frauen im Iran. Auf der anderen Seite sehen wir Landwirte, die mit Traktoren gegen die Kürzung von Agrarsubventionen protestieren, als ginge es um den Untergang des Abendlandes und nicht um durchschnittlich 5.000 Euro weniger Gewinn pro Jahr.

Wie wäre es, wenn wir uns einmal in Gerda Kempowski versetzen und beim Blick auf den Bildschirm an ihren Satz denken würden? Sicher, durch die höheren Kosten für jeden von uns müssen einige von uns Pläne verschieben oder ganz aufgeben. Angesichts der Not, der Trauer und des Elends an anderen, gar nicht so entfernten Orten dieser Welt, müssten wir da nicht auch seufzen und sagen: „Uns geht’s ja noch Gold?“