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Julie Schütze ist sichtlich stolz darauf, den Lehrgang zur Atemschutzgeräteträgerin bestanden zu haben. Eine Urkunde bescheinigt ihr den Erfolg. Foto: Thomas Dohna
Julie Schütze ist sichtlich stolz darauf, den Lehrgang zur Atemschutzgeräteträgerin bestanden zu haben. Eine Urkunde bescheinigt ihr den Erfolg. Foto: Thomas Dohna

Julie Schütze ist jetzt Atemschutzgeräteträgerin

Leopoldshöhe (ED). Langsam arbeitet sich das Paar vor. Der Stiel der Axt knallt an Stuhl- und Tischbeine. „Hier ist die Feuerwehr, ist hier jemand?“, rufen Julie Schütze und Lukas Schubert abwechselnd. Dann: „Julie, wo bist du?“. Lukas hat seine Partnerin verloren.

Lukas Schubert sucht. Er kann nichts sehen, das Visier seiner Atemschutzmaske ist zugeklebt. Langsam schiebt er sich vor. „Ich bin hier!“ antwortet Julie Schütze, die auch nichts sehen kann. Lukas Schubert vertraut seinen Ohren und schiebt sich in die vermeintlich richtige Richtung vor.

 „Abbruch!“ Ausbilder Christopher Dove stoppt die Übung. Schütze und Schubert nehmen die Masken von den Gesichtern. Sie stehen mehr als zwei Meter voneinander entfernt. „Trupptrennung geht gar nicht“, stellt Ausbilder Dove fest. Schütze und Schubert sind erstaunt. So dicht zusammen und doch zu weit voneinander weg.

Julie Schütze (links) und Lukas Schubert warten auf den Befehl, in den Klassenraum vorzudringen. Schubert hat als Truppmann das Strahlrohr, Schütze als Truppführerin die Axt und das Funkgerät. Foto: Thomas Dohna
Julie Schütze (links) und Lukas Schubert warten auf den Befehl, in den Klassenraum vorzudringen. Schubert hat als Truppmann das Strahlrohr, Schütze als Truppführerin die Axt und das Funkgerät. Foto: Thomas Dohna

Schütze und Schubert lassen sich zu Atemschutzgeräteträgern ausbilden. Beide sind noch keine 20 Jahre alt. Beide haben die Feuerwehrgrundausbildung hinter sich, sind von einem Facharzt für tauglich erklärt worden und haben den Belastungstest in der sogenannten Strecke hinter sich gebracht.

Im Brandfall, so erklärt Dove, müsse der Trupp unbedingt zusammen- und auf Tuchfühlung bleiben, das sei überlebenswichtig. Es dürfe keine Alleingänge geben. Schubert und Schütze nicken. Bei der zweiten Runde der Übung bleiben sie beieinander.

Die Feuerwehrleute sehen kaum etwas. Sie sollen den Klassenraum nach einem Menschen absuchen. Foto: Thomas Dohna
Die Feuerwehrleute sehen kaum etwas. Sie sollen den Klassenraum nach einem Menschen absuchen. Foto: Thomas Dohna

Zwei Wochenenden später stehen die beiden und ihre Mit-Auszubildenden aus anderen Feuerwehren auf dem Hof der Kreisfeuerwehrzentrale in Lemgo. Hier steht die Brandsimulationsanlage, umgangssprachlich Brandhaus genannt.

Im Brandhaus an der Feuerwehrzentrale in Lemgo üben lippische und andere Feuerwehren Taktiken zur Brandbekämpfung und zur Menschenrettung. Foto: Edeltraud Dombert
Im Brandhaus an der Feuerwehrzentrale in Lemgo üben lippische und andere Feuerwehren Taktiken zur Brandbekämpfung und zur Menschenrettung. Foto: Edeltraud Dombert

Das Haus hat drei Geschosse, eine Dachterrasse, Fenster, Türen, fast wie ein normales Haus. Innen gibt es ein Treppenhaus. Es ist wie Wohnhaus ausgestattet. Ein „Wohnzimmer“ mit einem Sofa, eine Küche mit Tisch und im ersten Obergeschoss eine Art Kinderzimmer. Von dem aus führt eine Wendeltreppe in eine Werkstatt im Erdgeschoss. Im zweiten Obergeschoss gibt es ein weiteres Zimmer. Die feststehenden Möbel im ersten Obergeschoss und im Erdgeschoss können per Gas befeuert werden. Überall stehen Kisten im Weg. Irgendwo ist eine Gasflasche versteckt.

Kisten stehen im Treppenaufgang des Brandhauses. Bei Übungen verstellen sie den Trupps den Weg. Foto: Thomas Dohna
Kisten stehen im Treppenaufgang des Brandhauses. Bei Übungen verstellen sie den Trupps den Weg. Foto: Thomas Dohna

Es ist still. Die angehenden Atemschutzgeräteträger zeigen Respekt vor den anstehenden Übungen. Davor steht die Sicherheitsunterweisung: keine Drogen, kein Alkohol, keine Medikamente genommen, keine Piercings an sich zu haben und das Gefühl, absolut fit zu sein, müssen die Teilnehmer bestätigen. Dann machen sie die Geräte klar, prüfen, ob genügend Druck auf den Atemluftflaschen ist und ob der Warner beim Mindestdruck von 60 bar auslöst. Sie setzen die Atemschutzmasken auf.

Die "Küche": Ein Tisch, ein Stuhl und rechts eine Küchenzeile, aus der Flammen schlagen können. Foto: Thomas Dohna
Die „Küche“: Ein Tisch, ein Stuhl und rechts eine Küchenzeile, aus der Flammen schlagen können. Foto: Thomas Dohna

Julie Schütze und die anderen marschieren zum Brandhaus. Die Wärmegewöhnung steht an. Sie schrauben sich gegenseitig den Lungenautomaten an die Masken. Durch eine Außentür betreten die Feuerwehrleute das „Wohnzimmer“. In Zweierreihen hocken sie sich auf den Boden. Ausbilder Christopher Dove gibt noch ein paar Tipps.

Wenn es irgendwo am Körper zu warm werden sollte, sollten sie die Schutzausrüstung etwas anheben, damit dort wieder ein Luftpolster entsteht. „Das ist es, was euch vor der Wärme schützt“, sagt er. Der Mann in der Leitzentrale entzündet die Flammen im „Sofa“. Das Feuer lodert gelb. Wärme füllt den Raum. „200 Grad“, ruft der Ausbilder Dove und meint die Temperatur unter der Decke des Raumes. Die Flammen werden stärker. „300 Grad!“ Bald wechselt ihre Farbe zu blau. Die Wärme kriecht auf die Feuerwehrleute zu.

Die angehenden Atemschutzgeräteträger verlassen das "Wohnzimmer". Ein Ausbilder mit rotem Helm hilft ihnen. Foto: Thomas Dohna
Die angehenden Atemschutzgeräteträger verlassen das „Wohnzimmer“. Ein Ausbilder mit rotem Helm hilft ihnen. Foto: Thomas Dohna

Sie sollen einen Handschuh ausziehen und die Hand nach langsam nach oben strecken. So spüren sie, wie die Wärme nach oben hin zunimmt. „400 Grad!“ Die Handschuhe sind längst wieder an den Händen. Die Wärme drückt auf die Maske. „450 Grad!“ Die Wärme ist jetzt unter den Anzügen zu spüren.   

Dove nimmt ein Strahlrohr und spritzt Wasser an die heiße Decke des Raumes. Sofort füllt sich der mit Dampf. Wie ein Schwall kriecht die feuchte Hitze unter die Schutzanzüge. Die Flammen erlöschen. „Tür auf und ‘raus!“  Wasserdampf dringt in einer großen Wolke in die kühle Abendluft. „Nichts mit bloßen Händen anfassen“, sagt der Ausbilder. Der Anzug, die Metallteile an der Ausrüstung, alles ist heiß.

Nach ein paar Minuten dürfen die jungen Feuerwehrleute die Lungenautomaten von den Masken schrauben. Julie Schütze hat den ersten Teil des Abends gut überstanden, sagt sie.

Mit Hilfe einer Wärmebildkamera kann der Ausbilder die Feuerwehrleute beobachten. Foto: Thomas Dohna
Mit Hilfe einer Wärmebildkamera kann der Ausbilder die Feuerwehrleute beobachten. Foto: Thomas Dohna

Löschangriff. Den kennen die Feuerwehrleute. Den haben sie in der Grundausbildung und während der vergangenen Wochenenden unter Atemschutz geübt. Jetzt aber gilt es, das Gelernte unter künstlichem Rauch, mit Hitze und Flammen anzuwenden.

Julie Schütze und Lukas Schubert machen sich fertig. Sie hocken vor der Eingangstür zum Brandhaus, Schubert als Truppmann mit dem Strahlrohr, Schütze als Truppführerin mit der Axt und der Hand an der Türklinke. „Rauch!“, meldet Schubert, als Schütze die Tür für einen Moment öffnet und gleich wieder schließt. Schütze gibt den Befehl vorzurücken und öffnet die Tür. Den beiden kommt der künstliche Rauch entgegen. Schnell verschwinden sie im Brandhaus. Es rumpelt metallisch. Sie räumen Kisten an die Seite und gehen in die „Küche“. Es rauscht. Die beiden löschen.

Julie Schütze (links) und Lukas Schubert sprechen sich vor Beginn des Löschangriffs ab. Foto: Thomas Dohna
Julie Schütze (links) und Lukas Schubert sprechen sich vor Beginn des Löschangriffs ab. Foto: Thomas Dohna

Ausbilder Dove begleitet sie. Mit Hilfe einer Wärmebildkamera kann er die beiden trotz des dichten Rauchs beobachten. Die Bilder werden in die Leitstelle übertragen, so dass der Mitarbeiter dort sehen kann, was im Brandhaus geschieht. „Feuer aus!“ Schütze und Schubert kommen zurück. Es sei ganz ok gewesen, meinen sie, sichtlich verschwitzt und ein wenig abgekämpft.

Julie Schütze ist stolz. Sie hat ein zweites Wochenende im Brandhaus hinter sich. Sie zeigt die Urkunde, mit der ihr bescheinigt wird, dass sie nun Atemschutzgeräteträgerin ist. Als äußeres und im Einsatz erkennbares Zeichen bekommen sie und Lukas Schubert einen roten Punkt an die Stirnseite des Helmes geklebt.

Die ersten beiden Teile der Reihe:

Hinweis

Die Freiwillige Feuerwehr Leopoldshöhe lädt zum Tag der offenen Tür am Donnerstag, 9. Mai 2024 (Himmelfahrt), ein.