Dioxin auf dem Sportplatz Greste

Die Oberfläche des Sportplatzes Geste ist aufgerissen. Hier hat ein Gutachter Dioxin-Werte gefunden, die den zulässigen Grenzwert um das 25-Fache überschreiten. Foto: Thomas Dohna
Die Oberfläche des Sportplatzes Geste ist aufgerissen. Hier hat ein Gutachter Dioxin-Werte gefunden, die den zulässigen Grenzwert um das 25-Fache überschreiten. Foto: Thomas Dohna

Gemeinde schiebt Sanierung an

Greste (ted). Auf dem Sportplatz an der Dorfstraße in Greste haben Gutachter Dioxin gefunden. Der ermittelte Wert liegt um das 25-Fache über der erlaubten Menge. Die Gemeinde will den Platz sanieren. Für die auf dem Sportplatz geplante Skater-Anlage soll eine Zwischenlösung gefunden werden.

Anlass für das Gutachten ist der Wunsch einer Gruppe von Jugendlichen aus Asemissen nach einer Skater-Anlage. Vor etwa 18 Monaten, im Juni 2020, stellten die Jugendlichen ihr Vorhaben im Sport- und Sozialausschuss der Gemeinde vor. Die Politiker nahmen das mit Wohlwollen auf und beauftragten einen Arbeitskreis aus Politikern, Verwaltungsmitarbeitern und Jugendlichen mit der Suche nach einer geeigneten Fläche. Der fand sie auf dem Sportplatz Greste, der Fläche, die auch von den Jugendlichen gewünscht ist.

Die Gemeinde stellte einen Bauantrag, um am Rande der Spielfläche etwa 350 Quadratmeter Fläche asphaltieren zu dürfen. Ein Lärm- und ein Bodengutachten sollte die Gemeinde beibringen. Der Bodengutachter stellte in der eigentlichen Spielfläche des Fußballplatzes eine Dioxin-Belastung fest. Dioxine gelten als krebserregend und sind giftig.

Der Platz ist nach Angaben der Gemeinde in den 1960er Jahre gebaut worden. Es gebe in den Akten einen Hinweis darauf, dass die Flutlichtmasten 1964 aufgestellt worden sind, sagt Bürgermeister Martin Hoffmann.

Viehsterben an der Kupferhütte

Damals muss der Platz wie viele andere in vielen Kommunen mit „Kieselrot“ oder „Kieselrotasche“ belegt worden sein. Die war während des Zweiten Weltkriegs bei einem Verfahren zur Kupfergewinnung angefallen. Schon 1939 informierte der Betriebsleiter der Kupferhütte in Marsberg seine Konzernleitung über mögliche Umweltschäden. In der Nähe der Hütte war es zu einem Viehsterben gekommen.

Dennoch verkaufte von 1955 bis spät in die 1970er Jahre hinein eine Marsberger Tiefbaufirma wenigstens mehrere hunderttausend bis zu fünf Millionen Tonnen der Schlacke als Belag für Aschenbahnen und Aschenplätze. 1991 fielen bei Bodenuntersuchungen in der Nähe von Sport- und Spielplätzen extrem hohe Dioxingehalte auf.

Dioxinbelastung in der Luft

Schon lange hatte das Bremer Umweltamt nach den Ursachen für eine besorgniserregende Dioxinbelastung der Luft geforscht und fand sie auf zahlreichen Spiel- und Sportplätzen der Stadt. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete damals von mehr als 300 geschlossenen Spielplätzen und etwa 3.000 insgesamt betroffenen Plätzen. Darunter muss auch der Sportplatz in Greste gewesen sein.

In der Folge sanierten viele Kommunen zahlreiche Spiel- und Sportplätze. Die Gemeinde Leopoldshöhe ging offensichtlich einen anderen Weg. Mit den Jahren wurden immer wieder Schichten ungefährlicher Beläge aufgetragen. Darunter blieb die Kieselrotasche liegen. Das Land NRW stützte diese Haltung.

Grenzwerte angehoben

Ein Gutachten hatte nachgewiesen, dass ehemalige Arbeiter der Kupferhütte in Marsberg, Anwohner und Motocrossfahrer, die das Werksgelände in ihrer Freizeit nutzten, nicht stärker belastet waren als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung. Die NRW-Landesregierung gab Entwarnung, in Hessen mussten alle Plätze saniert werden.

Bis 1991 empfahl das Bundesgesundheitsamt eine „uneingeschränkte gärtnerische und landwirtschaftliche Nutzung“ von Flächen nur dann, wenn sie mit nicht mehr als fünf Nanogramm pro Kilogramm Erdreich belastet waren. Bei Belastungen bis 40 Nanogramm sollten nur Pflanzen angebaut werden, deren Früchte nicht dicht am Boden liegen. Boden, der mit bis zu 100 Nanogramm verseucht war, sollte in Kindertagesstätten, auf Spielplätzen und Schulhöfen ausgetauscht werden. Bei darüber hinausgehenden Werten sollte in Siedlungen der Boden ausgetauscht werden.

Bald danach wurden die Werte nach oben verschoben. Beim Anbau von Nahrung sollten 40 Nanogramm Dioxin als unbedenklich gelten, für Kinderspielplätze 100 Nanogramm, für Sportplätze 1.000 Nanogramm.

1992 wurde die Bielefelder Politik aktiv. Sie beschloss, alle Kieselrot-Plätze zu sanieren. Bis zu 83.000 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Boden maß die Stadt. Erst 2012 war der letzte Platz giftfrei.

25.000 Nanogramm Dioxin

Im Boden des Sportplatzes Greste fand der Gutachter eine Belastung von 25.000 Nanogramm.  Über die Jahre habe eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit, auch früherer Generationen, zu keiner Zeit bestanden, stellt die Gemeinde dazu fest. Die Dioxine seien in der Schlacke gebunden, gelangten weder in die Luft noch ins Grundwasser.

Die Gemeindeverwaltung hat den Sportplatz Greste wegen einer Dioxin-Belastung gesperrt. Foto: Thomas Dohna
Die Gemeindeverwaltung hat den Sportplatz Greste wegen einer Dioxin-Belastung gesperrt. Foto: Thomas Dohna

Dennoch will die Verwaltung Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Schon jetzt ist der Platz gesperrt, obwohl nach Angaben der Verwaltung das Betreten der Fläche unbedenklich ist. Größere Grabungen und Erdbewegungen könnten zu einem Kontakt mit belastetem Material führen. Schon jetzt tritt an verschiedenen Stellen die Schotterschicht unter dem roten Belag zu Tage. Die Dioxine sind jedoch in der Schlacke gebunden und können weder in die Luft noch ins Grundwasser gelangen.

Platz wird abgedeckt

Sobald es trocken werde, werde der Platz mit einem Vlies abgedeckt, um Staubverwehungen zu vermeiden. Vom Gelände der an den Sportplatz angrenzenden Kindertagesstätte Greste seien Bodenproben genommen worden, sagte Bürgermeister Hoffmann. Der Gutachter erwarte allerdings, keine Belastung feststellen zu können.

Die Verwaltung schlägt der Politik vor, den Sportplatz „zeitnah zurückzubauen und den Boden zu entsorgen“. Eine erste Schätzung der Sanierungskosten beläuft sich auf einen höheren, sechsstelligen Betrag. Es wird geprüft, ob Fördermittel beantragt werden können. Die Förderquote könne 80 Prozent der Kosten betragen.

Termin auf dem Sportplatz

Der Bau der Skateranlage verschiebt sich, sagt Bürgermeister Hoffmann. Es bleibe aber bei dem geplanten Workshop zum Bau der Geräte in den Osterferien. Für die Zeit der Sanierung des Sportplatzes Geste solle ein Ausweichstandort für die Skater-Anlage gefunden werden.

Für Freitag, 4. Februar 2022, 15 Uhr lädt die Verwaltung zu einem Termin am Sportplatz Greste ein. Dort werden Mitarbeiter der Verwaltung, Bürgermeister Martin Hoffmann und Experten des Gutachter-Büros Dr. Kehrt+Lampe die weiteren Schritte erläutern.

In der Sitzung des Umweltausschusses am Donnerstag, 3. Februar 2022,18 Uhr soll die Situation beraten werden. Die Sitzung des Ausschusses ist öffentlich und findet in der Aula des Schulzentrums statt.

Der Spiegel, Ausgabe 19/1991

Der Spiegel 7/1992

Kieselrot – Der Bielefelder Stadtrat fordert einen Sanierungsplan für dioxinbelastete Spielplätze