Die Marschmenschen

Leos Kino-Aktiver Ulrich Schumann weist auf gute Filme hin. Foto: Edeltraud Dombert/Montage: Thomas Dohna
Leos Kino-Aktiver Ulrich Schumann weist auf gute Filme hin. Foto: Edeltraud Dombert/Montage: Thomas Dohna

Zur Einstimmung auf „Mittagsstunde“ (19.06., Leos Kino): die schönsten Filme aus und über Norddeutschland / Filmtipps von Leos Kino

Von Ulrich Schumann

Obwohl die Handlung der Romanverfilmung „Mittagsstunde“ (19.06., Leos Kino) in jeder Region spielen könnte, macht doch erst das Norddeutsche den Reiz aus. Manchmal spröde und wortkarg, doch immer ehrlich und herzlich, so sind die Menschen in Marsch und Geest. Umso merkwürdiger erscheint es, dass wir mit bayerischem Content nur so überflutet werden: Eberhofer-Krimis, Alpenglühen und fettige Schweinshaxe – wer braucht das eigentlich? Höchste Zeit für eine norddeutsche TOP FIVE mit den schönsten Filmen aus und über den Norden! Nehmt das, Ihr Rosenheim-Cops!

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (D 2023)

Erwachsenwerden ist auch nicht immer leicht. Josse lebt mit seinen Eltern in Schleswig in einer ganz eigenen Welt. Der Vater (Devid Striesow) ist in den 1970ern Direktor der örtlichen Kinder- und Jugendpsychiatrie. Eine Trennung zwischen Familie und Patienten gibt es längst nicht immer. Skurrile Situationen sind die Folge, die Josse aber immer mit Humor nimmt. Doch je älter er wird, desto mehr stellt er dieses Lebensmodell in Frage.

Filmisch ansprechend erzählt Sonja Heiss von einer ganz besonderen Pubertät. In „Wann wird es endlich wieder…“ mischen sich nach heiterem Beginn immer mehr tragische Elemente, die mit gekonntem Timing platziert werden. Das Premieren-Publikum bei der Berlinale 2023 hat den Film dann auch mit minutenlangem Applaus aufgenommen.

Am Tag als Bobby Ewing starb (D 2005)

„Mittagsstunde“ ist nicht der erste Norddeutschland-Film von Regisser Lars Jessen. Schon 2005 erzählt er von Teenager Niels, der aus Bremen mit seiner Mutter in eine Anti-AKW-Kommune nach Brokdorf zieht. Jessen verwebt diese Geschichte mit den Ereignissen des 26. Aprils 1986: an diesem Tag erfuhren die ARD-Zuschauer innerhalb von fünf Minuten zunächst, dass Bobby Ewing in der TV-Serie „Dallas“ gestorben war und in den darauffolgenden „Tagesthemen“, dass es in Tschernobyl einen Super-GAU gegeben hatte.

Mit viel Augenzwinkern wagt Jessen einen liebevollen Blick in eine Zeit, in der Vieles einfacher, aber nichts Unkomplizierter war. Und Gabriela Maria Schmeide ist eine Wucht!

Werner – Beinhart! (D 1991)

Sie ridern easy über Berg und Tal, stoppen kann sie nur ein Begrenzungspfahl. Mit „Werner – Beinhart“ setzte Brösel dem trockenen norddeutschen Humor ein Denkmal und die Band Torfrock lieferte einen Hymne für die Ewigkeit. Die Handlung ist nicht so wichtig, entscheidender ist, dass Comicfigur Werner stets  – typisch norddeutsch – sein eigenes Ding macht, mit seinem Motorrad durch die Gegend fährt und immer Bier in einer Flasche mit Bügelverschluss dabei hat. Der Trickfilm traf damals den Nerv der Zeit und wirkt aus heutiger Sicht schräger denn je.

Der grüne Bogenschütze (BR Deutschland 1961, s/w)

Es gibt unzählig viele Edgar-Wallace-Verfilmungen, diese zählt zu den wenigen wirklich guten. „Der grüne Bogenschütze“ spielt eigentlich auf einem Herrensitz in England, gedreht wurde aber auf Schloss Ahrensburg in Norddeutschland. Nahezu alle prominenten Schauspielerinnen und Schauspieler der damaligen Zeit versammeln sich hier rund um den Hamburger Regisseur Jürgen Roland – darunter auch der legendäre Gert Fröbe. Das Ergebnis ist eine herrlich altmodische Krimikomödie rund um den mysteriösen grünen Bogenschützen, der giftige Pfeile verschießt. Als die Nichte des Schlossherren hinter das Geheimnis kommt, wird sie gefangen gehalten. Der Druck auf Scotland Yard steigt…

Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (Deutschland 1922, s/w)

Der „Über-Klassiker“ des deutschen Kinos, der so oft missverstanden wurde, spielt zu großen Teilen in Wismar. Hierhin segelt Vampir Nosferatu mit dem „Todesschiff“, hierhin bringt er die Pest und löst das große Sterben aus.

Mit seiner Bildsprache, dem irren Spiel von Licht und Schatten, der atemberaubenden Inszenierung des Bielefelder Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau und der schauspielerischen Leistung Max Schrecks wurde „Nosferatu“ zum prägenden Werk des Horrorgenres und des Spielfilms überhaupt.

Heute lohnt auch als Filmfan ein Spaziergang durch das wunderbare Wismar: auf kleinen Kacheln im Boden stößt man überall in der Stadt auf Murnaus Drehorte und bekommt spannende Insider-Informationen.