Die Angst vor der Leiter

Julie Schütze hat es geschafft. Ausbilder Detlef Solle freut sich mit ihr. Foto: Edeltraud Dombert
Julie Schütze hat es geschafft. Ausbilder Ralf Solle freut sich mit ihr. Foto: Edeltraud Dombert

Feuerwehrfrau Julie Schütze beim Feuerwehr-Belastungstest

Leopoldshöhe/Lemgo (ED). Julie Schütze schaut sich alles genau an. Die sogenannte Strecke, die Geräte im Kraftraum. Die 18-Jährige absolviert ihre Ausbildung zur Atemschutzgeräteträgerin der Feuerwehr. Heute steht eine wichtige Etappe an.

Atemschutzgeräteträger (AGT) sind bei der Feuerwehr die, die bei einem Brand Menschen aus dem Rauch retten und zum Feuer gehen. Julie Schütze ist seit ein paar Monaten in der Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr. Ihre Grundausbildung hat sie hinter sich gebracht. Jetzt will sie Atemschutzgeräteträgerin werden.

18 Uhr: Julie Schütze trifft mit zwei weiteren Anwärtern und ihren Ausbildern am Feuerwehrausbildungszentrum in Lemgo ein. Ralf Solle, Ausbilder der Freiwilligen Feuerwehr Oerlinghausen, empfängt sie und Augustdorfer AGT-Anwärter.

Solle führt sie in den Raum mit der „Strecke“, wie Feuerwehrleute die Anlage nennen. Der Raum ist an drei Seiten mit ineinander übergehenden Käfigen vollgestellt. Diese Käfige erinnern ein wenig an Käfige für Großwild. Die Strecke ist aus mehreren dieser Käfigteile zusammengestellt. Die einzelnen Teile haben eine Breite und Höhe von jeweils etwa einem Meter.

Am Ende der Strecke wird es noch einmal eng. Stangen begrenzen den Durchlass. Foto: Edeltraud Dombert
Am Ende der Strecke wird es noch einmal eng. Stangen begrenzen den Durchlass. Foto: Edeltraud Dombert

In den Käfigteilen gibt es Hindernisse, die überwunden werden müssen, darunter eine mehr als zwei Meter lange Röhre. Die Feuerwehrleute haben die Aufgabe, mit Atemschutzgerät auf dem Rücken und in voller Montur am einem Ende in die Käfigstrecke hineinzukriechen und dann durch die Strecke zum anderen Ende des Raumes zu gelangen. Bevor es in die Käfige geht, müssen die AGTler noch einen Tank hinauf, in ihn hineinklettern, ihn durchqueren und wieder aus ihm heraus aussteigen. Die Strecke mündet in einem Kraftraum mit vier Geräten, die im Anschluss an den Streckengang noch bewältigt werden müssen.

Julie Schütze schaut sich alles genau an. Dann geht es für alle zurück zum Ausgangspunkt, um sich für die Übung vorzubereiten. Sie schnallt sich einen Pulsmesser um den Brustkorb. Dessen Signale werden in einen Kontrollraum übertragen.

Immer zwei Feuerwehrleute bilden ein Team. Schütze bekommt einen der Feuerwehrleute aus Augustdorf als Partner zugeteilt. Er ist größer als sie. „Zur Überwindung der Röhre ist es gut, wenn ein kleinerer und ein größerer Mensch zusammenarbeiten. Die Röhre ist etwa zwei Meter lang, da haben es zwei Kleinere schwer hindurchzukommen,“ begründet Christopher Dove von der Freiwilligen Feuerwehr Leoplodshöhe die Entscheidung. Nachdem die beiden sich gegenseitig beim Ausrüsten geholfen haben, kann es losgehen.

Julie Schütze steigt die Endlosleiter. Die Sprossen bewegen sich. Sie muss sich dem Tempo anpassen. Foto: Edeltraud Dombert
Julie Schütze steigt die Endlosleiter. Die Sprossen bewegen sich. Sie muss sich dem Tempo anpassen. Foto: Edeltraud Dombert

Marco Tallig im Kontrollraum hat den Streckenraum nun nahezu abgedunkelt, nur ein paar wenige kleine Kontrolllichter leuchten. Schütze und ihr Partner steigen in den Tank ein. Es scheppert. Eine der Atemluftflaschen ist angestoßen. Weiter geht es durch eine Luke, um Ecken, über die Hühnerleiter nach oben, wo es sehr eng wird, dann durch die Röhre und wieder nach unten. Sackgasse.

Julie Schütze sucht den Weg und findet schließlich ein Gitter, das nach oben aufgeklappt werden kann, allerdings entgegen der Richtung. Sie und ihr Partner rutschen ein Stück zurück. Der Augustdorfer hält die schwere Klappe hoch, Schütze krabbelt durch die Öffnung. Dann hält sie die Klappe. Am Schluss müssen die beiden sich noch durch den sehr engen Ausgang zwängen und der erste Teil des Belastungstests ist geschafft.

„Setzt euch erst einmal hin und verschnauft ein wenig“, sagt Ausbilder Dove. Es steht im Kraftraum „Ihr habt noch Atemluft genug für die Geräte. Ruhig atmen ist ganz wichtig. Nur nicht hektisch werden.“ Schütze sitzt mit geschlossenen Augen auf der Bank. Später sagt sie, dass sie sich in diesem Moment gesammelt hat. Die größte Herausforderung sei für sie jetzt die Endlosleiter gewesen. 20 Meter muss sie steigen.

Das Ergometer ist eine der leichteren Übungen. Foto: Edeltraud Dombert
Das Ergometer ist eine der leichteren Übungen. Foto: Edeltraud Dombert

Dove fragt, wer mit welchem Gerät beginnen möchte. Schütze steht auf und sagt sofort: „Die Leiter“. Langsam setzt sich die Leiter in Bewegung. Schütze steigt. Dove gibt den Tipp, möglichst oben auf den Leiter zu bleiben, das sei einfacher. Schütze steigt und steigt. 20 Meter, das ist fast die Höhe einer kleineren Drehleiter.

Schützes Schritte werden langsamer. Allmählich kommt die Leiter zum Stillstand. Schütze setzt sich noch einmal auf die Bank, um sich ein wenig auszuruhen. Die aus ihrer Sicht größte Herausforderung ist bewältigt. Das Ergometer, das Laufband und das Ergometer für die Arme schafft sie in einem Durchgang. Am Schluss hat sie immer noch reichlich Luft in ihrem Atemschutzgerät übrig.

Etwa 19 Uhr: Erschöpft steigt Schütze aus ihrer Montur und nimmt einen großen Schluck aus der Wasserflasche. „Es war anstrengend, aber es hat viel Spaß gemacht und die Leiter, vor der ich am meisten Angst hatte, war dann gar nicht so schlimm“, sagt sie und strahlt.