Notfall in der Nacht

Ein Notarzt und ein Rettungswagen stehen auf dem Parkplatz des Sportplatze s an der Grester Straße. Die Nachtstreife von Polizei und Ordnungsamt hatte dort eine Gruppe junger Erwachsener aufgestöbert und einen anscheinend zusammengebrochenen jungen Mann gefunden. Foto: Thomas Dohna
Ein Notarzt und ein Rettungswagen stehen auf dem Parkplatz des Sportplatzes an der Grester Straße. Die Nachtstreife von Polizei und Ordnungsamt hatte dort eine Gruppe junger Erwachsener aufgestöbert und einen anscheinend zusammengebrochenen jungen Mann gefunden. Foto: Thomas Dohna

Eine Streife von Ordnungsamt und Polizei scheucht Gruppen auf

Leopoldshöhe (ted). Ronny Smok kommt etwas später. Einen neuen Corona-Quarantäne-Fall hatte der Mitarbeiter des Leopoldshöher Ordnungsamtes noch zu bearbeiten. Dann war da am Rathaus noch eine Gruppe. Kaum sei er aus dem Rathaus gekommen, hätten die etwa 15 Jugendlichen Fersengeld gegeben. Das berichtet Smok, als er am Treffpunkt mit Bezirkspolizist Daniel Dreyer ankommt. Die beiden haben sich im Rahmen der Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und der Gemeinde zu einer nächtlichen Streife verabredet. Die Leopoldshöher Nachrichten waren eingeladen, mitzugehen.

Dreyer und Smok fahren etwa einmal im Monat solche Streifen, wenn nötig auch häufiger. „Immer dann, wenn sich etwas anhäuft oder akut ist“, sagt Daniel Dreyer. Dreyer ist eigentlich tagsüber im Dienst. Mit einem Kollegen wacht er über die Sicherheit im Ort, läuft Streife an den Verkehrswegen oder an den Schulen. Ronny Smok ist der sogenannte ordnungsbehördliche Beamte in der Gemeindeverwaltung. Er ist für die Einhaltung von Ordnungsvorschriften zuständig, beispielsweise der der Coronaschutz-Maßnahmen, aber auch zusammen mit Kollegen für die Überwachung des ruhenden Verkehrs.

Überwachung der Ausgangssperre

Zurzeit gilt in Leopoldshöhe und im Kreis Lippe Ausgangssperre. Ab 22 Uhr darf sich niemand ohne im Gesetz angegebenen Grund außerhalb seiner Wohnung oder seines Grundstückes in der Öffentlichkeit aufhalten. Deswegen geht Smok auch allein Streife, oft am frühen Abend, um die Menschen auf die nahende Ausgangssperre hinzuweisen. Daneben ist er auch noch zuständig für die Überwachung der Corona-Quarantänen. Auch da helfen ihm Kollegen. An diesem Abend soll es um die üblichen Treffpunkte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehen.

Smok und Dreyer setzen sich in den Streifenwagen. Sie fahren am Marktplatz vorbei, die Hovedisser Straße hinunter, schauen einmal in den Weg zur BMX-Bahn. An der Bahn hatte es in der Vergangenheit immer wieder Vandalismus gegeben. Auf dem Parkplatz der Felix-Fechenbach-Gesamtschule stellen sie den Wagen ab. Von einem Sportplatz sind Ball-Geräusche zu hören. Smok und Dreyer gehen zu dem Spielfeld, auf dem sich ein Erwachsener und drei Kinder aufhalten und miteinander Fußball spielen. „Ist schon Ausgangssperre?“, fragt der Mann. Nein, bedeutet ihm Dreyer, sie seien nur auf Streife und wollten nach dem Rechten sehen. „Wir gehören alle zu einem Haushalt“, sagt der Mann. Kein Problem, meint Dreyer. Die Ausgangssperre beginne erst um 22 Uhr. Es sei ja noch Zeit bis dahin.

Dreyer und Smok schauen sich noch das neue Außengelände hinter der Mensa an. „Hier treffen sich auch immer gern ein paar Jugendliche“, sagt Dreyer. An diesem Abend ist alles ruhig. Sie gehen wieder zum Wagen zurück, fahren einmal rund um den Parkplatz, um einen Blick auf den Schulhof zu werfen und steuern die Grundschule Nord an. Hier parkt ein Auto mit zwei Leuten darin. Keine weiteren Auffälligkeiten. Die beiden Beamten fahren weiter über die Felix-Fechenbach-Straße in den Schuckenteichweg und bei der Firma Volavis in den Telgenweg. Dort, an einer Bank in der Höhe des ehemaligen Fußballplatzes, treffen sich immer mal wieder junge Erwachsene. Später wird Ronny Smok berichten, dass dort nach zwei Polizeiaktionen Ruhe herrscht.

Das nächste Ziel ist die Grundschule Asemissen. Ein anderer Streifenwagen kommt entgegen. An der Grundschule treffen sie auf Stefan Tegtmeier. Der Hausmeister ist auf seiner abendlichen Wochenendrunde durch die Schulen. Gerade seien hier fünf Jugendliche gewesen, berichtet Tegtmeier. Die hätten sich unter dem Vordach am Schulhof aufgehalten. Er habe die Polizei gerufen. Die sei auch erschienen und habe die Daten der Jugendlichen aufgenommen. Tegtmeier reicht fünf Zettel an Smok weiter. „Das sind sie“, sagt Tegtmeier. Smok liest sich die Daten durch und stellt fest: Zwei Volljährige sind darunter und drei Minderjährige. Gegen alle wird jetzt ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Sie bekommen einen Anhörungsbogen und können sich zu den Vorwürfen äußern. „Bei Jugendlichen fragen wir nach der Höhe des Taschengeldes“, sagt Smok. Die Gemeinde könne, müsse aber kein Bußgeld erheben. Aber ein Verwarngeld sei drin, in der Höhe eines monatlichen Taschengeldes. „So ein bisschen wehtun muss es schon“, sagt Smok.

In diesem nachgestellten Foto schaut Bezirkspolizist Daniel Dreyer (links) zu, wie Hausmeister Stefan Tegtmeier (Mitte) dem Ordnungsbeamten Ronny Smok die Daten von Jugendlichen übergibt, die sich unzulässigerweise auf dem Gelände der Grundschule Asemissen aufgehalten haben. Foto: Thomas Dohna
In diesem nachgestellten Foto schaut Bezirkspolizist Daniel Dreyer (links) zu, wie Hausmeister Stefan Tegtmeier (Mitte) dem Ordnungsbeamten Ronny Smok die Daten von Jugendlichen übergibt, die sich unzulässigerweise auf dem Gelände der Grundschule Asemissen aufgehalten haben. Foto: Thomas Dohna

Ein Nachbar kommt auf den Hof. Er beobachte immer wieder, dass sich dort bis zu 30 Jugendliche auf dem Schulhof aufhalten, berichtet er. Er hätte schon oft die Polizei gerufen, bis die aber da sei, seien die Jugendlichen meist schon wieder weg. Zurück bleiben Müll und Glasscherben. Die Gemeinde wird darauf reagieren, der Einbau einer Videoüberwachungsanlage ist vorgesehen. Die Mittel dafür stehen im Gemeindehaushalt bereit.

Ein anderer Anwohner kommt hinzu. Er ist auf der Suche nach einer Gruppe von acht Jugendlichen. Ein Nachbar habe ihm gesagt, die Jugendlichen wollten seine Pferde von einer Koppel führen. Ob Dreyer, Smok und der Hausmeister Tegtmeyer irgendwas gesehen hätten. Haben sie nicht.

„Wir brauchen einen Notarzt“

Smok und Dreyer wollen zu ihrer nächsten Station, dem Sportplatz des Tus Asemissen. Immer wieder klagt der TuS Asemissen über Schäden. Kaum biegen Dreyer und Smok auf den Parkplatz ein, stiebt eine Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auseinander. Ein junger Mann fällt zu Boden, ein anderer versucht ihn hochzuziehen, vergeblich. Schnell sind Dreyer und Smok bei ihnen. Der junge Mann am Boden rührt sich kaum, zuckt ab und zu, verdreht die Augen. Dreyer fordert einen Rettungswagen an. Smok betreut den jungen Mann. Dessen Atmung scheint auszusetzen. „Wir brauchen auch einen Notarzt“, ruft Smok. Die Minuten ziehen sich. Zwischendurch setzt sich der junge Mann auf und fällt wieder um. Eine junge Frau erscheint, die offenbar zu der Gruppe gehört. Er ruft ihren Namen. Sie setzt sich zu ihm, geht wieder weg. In der Ferne ist ein Martinshorn zu hören. Wenig später zuckt blaues Licht durch die Nacht. Die Rettungssanitäter kümmern sich um den jungen Mann. Er scheint wieder ansprechbar. Die Rettungssanitäter setzen ihn auf die Stufe an ihrem Rettungswagen.

Unterdessen befragt Dreyer die junge Frau. Ob sie einen Ausweis dabeihabe. Nein, sagt sie. Ob er denn ihre Handtasche sehen dürfe? Plötzlich findet sie doch ihren Ausweis. Sie ist noch keine 18 Jahre alt. Dreyer nimmt die Personalien auf und schickt sie nach Hause. Ihre Eltern werden einen Brief des Jugendamtes bekommen, in dem sie auf ihre Aufsichtspflicht hingewiesen werden und darauf, dass die Jugendliche in der Öffentlichkeit alkoholisiert angetroffen worden ist.

Blick hinter die Kindertagesstätte

Der Notarzt trifft ein. Er untersucht den Anfang-20-Jährigen. Er leuchtet ihm in die Pupillen. Sein Blutdruck wird gemessen. Er riecht nach Alkohol. Der Notarzt möchte gerne wissen, wie hoch der Blutalkohol sein könnte, um den jungen Mann möglicherweise zwangsweise in ein Krankenhaus einweisen zu können. Dort würde er kontrolliert ausnüchtern können. Obwohl sein Auto wie ein normaler Streifenwagen aussieht, hat Polizist Dreyer keinen Alkoholtester an Bord. Er fordert einen Wagen der Bad Salzufler Wache an. „In acht bis zehn Minuten sind die da“, sagt er.

Der junge Mann pustet in den Alkotester. „0,5 Promille“, sagt der Polizist. Dreyer, Smok, der Notarzt und die Sanitäter sind erstaunt. „Bei den Ausfallerscheinungen hätte ich mehr vermutet“, sagt Dreyer. Der Notarzt meint, bei jungen Leuten könnten Ausfallerscheinungen schon deutlich früher eintreten als bei gewohnten Trinkern. Bei dem Alkoholgehalt im Blut habe er keine Handhabe, den jungen Mann einzuweisen. Notarzt, Polizisten und Sanitäter müssen weiter. An der Hovedisser Straße liegt jemand betrunken im Graben. Der junge Mann steigt in das Auto seines Bekannten und wird von ihm nach Hause gefahren. Smok und Dreyer bleiben zurück. „Wir fahren jetzt noch zur Kita Greste und zum Lehagenweg“, sagt Dreyer.

Besuch am Heimathof

An der Kita Greste steht eine kleine Hütte, in der sich immer wieder Jugendliche treffen. Sie ist leer. Auch an den Windrädern oben am Lehagenweg ist Ruhe. Der Streifenwagen rollt über die Alte Hövenstraße, die Lagesche Straße in den Bürgermeister-Brinkmann-Weg. Auf dem geschotterten Fußweg geht es zum Heimathof. Der Wagen kommt an einer Bank vorbei. „Da sitzen sie auch immer mal gern“, sagt Smok später. Ein Blick über die Wiesen am Heimathof reicht, um zu sehen, dass da niemand ist.

Es ist nach 22 Uhr. Auf der Straße Krenztrupperhagen und auf der Schötmar Straße ist kaum jemand unterwegs. Zwei Männer laden leere Flaschen in den Kofferraum eines Autos. Smok weist sie auf die Ausgangssperre hin.

Mit Ausgangssperre ist es ruhiger

Am Rathaus endet die Tour. Dreyer und Smok sind sich einig: Der Vorfall auf dem Sportplatz des TuS Asemissen war schon außergewöhnlich. Betrunkene hätten sie schon immer mal wieder, aber sowas noch nicht, sagt Smok. In dem Fall sei es schwierig, Bußgelder zu verhängen. Der junge Mann sei schließlich der Notfall gewesen. Er könne deswegen nichts dafür, dass er nach 22 Uhr noch außerhalb seiner Wohnung gewesen sei. Nachweisen, dass sie zu mehr als zwei Leuten aus verschiedenen Haushalten gewesen seien, sei nicht möglich, weil die anderen weggelaufen sind. Und dem jungen Helfer, der als einziger bei dem jungen Mann geblieben sei, ein Bußgeld aufzudrücken, sei kontraproduktiv, meint Dreyer. Dann helfe der nie wieder.

Der Ausgangssperre können Dreyer und Smok Gutes abgewinnen. Seitdem es die gebe, sei es merklich ruhiger, meint Smok und Dreyer nickt.

Hintergrund

In Leopoldshöhe beruhigt sich die Infektionslage seit Tagen nicht. Während der kreisweite Inzidenzwert sich allmählich der 100-Grenze nähert, bleibt der Leopoldshöher Wert stabil über 200. Bürgermeister Martin Hoffmann hat die Leopoldshöher per Video aufgerufen, sich an die Anti-Corona-Maßnahmen zu halten.