Gemeindeverwaltung prüft den Einbau fester Lüftungsanlagen
Leopoldshöhe (ted). Ein Leser ist besorgt. Sein Kind geht auf die Felix-Fechenbach-Gesamtschule. Er will wissen, welche Maßnahmen es für die Leopoldshöher Schulen gibt, einen dauerhaften, vollen Präsenzunterricht zu gewährleisten angesichts der um sich greifenden Delta-Variante des Corona-Virus‘. Wir haben die Gemeindeverwaltung und einen Experten dazu befragt.
In einer Woche beginnt die Schule wieder. Das Corona-Virus ist immer noch da, vor allem in der Delta-Variante. Nach einer knappen Berichterstattung über Gespräche Bürgermeister Martin Hoffmanns mit seinem Lemgoer Amtskollegen in einer der jüngeren Sitzungen des Hochbau- und Planungsausschusses meldete sich ein Leser. Das dauerhafte Lüften durch geöffnete Fenster im Winter hält er für keine gute Idee.
Im Winter lüften
Für den kommenden Winter sieht die Gemeindeverwaltung nach Angaben Bürgermeister Martin Hoffmanns keine andere Möglichkeit. Nach einer Videokonferenz aller nordrhein-westfälischen Bürgermeister mit der Bauministerin des Landes Ina Scharrenbach sei klar geworden, dass die Beschaffung von mobilen Luftfilteranlagen nur für Räume, die nicht über Fenster gelüftet werden können, möglich sei. Es gebe ein gemeinsames Förderprogramm von Bund und Land.
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In den Schulen der Gemeinde stehen zehn mobile Luftfiltergeräte, acht in der Felix-Fechenbach-Schule und je eines in den Grundschulen Nord und Asemissen. Die hat die Gemeinde vor einiger Zeit über eine 100-Prozent-Förderung des Landes beschafft. Die Geräte sollen in sogenannten Kategorie-2-Räumen eingesetzt werden, Räumen, die sich über Fenster nicht oder nicht ausreichend lüften lassen. Zurzeit laufe eine Abfrage bei den Schulen, ob dort noch mehr solcher Geräte benötigt würden. Die stoßen nach Angaben Dirk-Puchert-Blöbaums bei den Lehrerinnen und Lehrern nicht auf Gegenliebe. Puchert-Blöbaum ist in der Gemeindeverwaltung unter anderem für die Ausstattung der Schulen zuständig. In der FFG würden sie vor allen in den sogenannten Lernlandschaften eingesetzt, großen Räumen, in denen es nur wenige zu öffnende Fenster gibt. Dort arbeiteten die Geräte auf voller Leistung und damit vergleichsweise laut.
Keine Notwendigkeit bei Fenstern
Für die sogenannten Kategorie-1-Räume sage das Umweltbundesamt, dass eine Fensterlüftung bei Einhaltung der AHA-Regeln ausreiche: Abstand, Händewaschen, Alltagsmaske tragen. Er könne den Vater verstehen, der im Winter frierende Kinder befürchtet, sagt Hoffmann: „Da müssen wir diesen Winter einfach durch.“ Die Gemeinde dürfe solche Anlagen nicht einfach kaufen, wenn das Bundesumweltamt sich eindeutig dagegen ausspreche. „Das könnte Untreue im strafrechtlichen Sinn sein“, sagt Hoffmann, auch wenn Kommunen wie Gütersloh das täten, ganz abgesehen davon, dass die Gemeinde das finanziell nicht leisten könne.
Dagegen hält das Umweltbundesamt stationäre Anlagen für eine „gute Idee“, wie Hoffmann sagt. Dafür werde es ein Förderprogramm geben, durch das diese Anlagen zu 80 Prozent bezuschusst würden. Es werde zurzeit der Bedarf an Geräten und an Geld ermittelt. Dahinein fließen auch Überlegungen zu Folgekosten, die nicht unerheblich seien, wie Puchert-Blöbaum sagt: „Das ist nicht ohne, das sind erhebliche Kosten, wenn wir auf ähnliche bestehende Anlagen schauen“. Konsequenzen hätte der Einbau solcher Anlagen auch für die bei der FFG gerade abgeschlossene und bei den Grundschulen noch laufende energetische Sanierung der Gebäude. Gerade fertige Fassaden müssten wieder aufgerissen werden. Auch gehe durch die Anlagen Energie verloren, sagt Puchert-Blöbaum. Auf die Frage, ob dadurch die millionenschwere Sanierung der Schulen vergeblich werden würde, meint er: „Das wissen wir noch nicht.“
Lüftungsanlage im Neubau
Gerade haben die Arbeiten für das neue Gebäude der FFG begonnen. Für die innenliegenden Räume sei eine Lüftungsanlage vorgesehen, für die, die nach außen hin Fenster haben nicht, sagt Puchert Blöbaum. Eine Veränderung der Planung sei für den Bauablauf ungünstig, der Rohbau sei schon ausgeschrieben.
Sollte sich die Gemeinde für den Einbau solcher Anlagen in jedes Klassenzimmer entschließen, werde das vor dem Winter sicher nichts, stellt Hoffmann fest. Im September sollen die Pläne im Betriebsausschuss für die Eigenbetriebe vorgestellt werden.
Dezentrale Anlagen
Ob, wie und welche Lüftungsanlagen in Schulen sinnvoll und geeignet sind, hänge von den baulichen Gegebenheiten ab, sagt Niels Döring. Er ist Innenarchitekt im Detmolder Büro xtraplan und ist seit über 20 Jahren als Energieberater tätig. Das Büro hat sich auf Bauen im Bestand, öffentliche Bauten, Wohnungsbau und den Schulbau spezialisiert. Es ist zurzeit nicht für die Gemeinde Leopoldshöhe tätig. Das Büro plant den Neubau des Johanneshofes an der Herforder Straße.
Ob eine zentrale Anlage, dezentrale Lüftungsgeräte oder eine Fensterlüftung für eine Schule besser sind, lasse sich nicht pauschal sagen, meint Döring. Man müsse erst schauen, wie groß die Klassenräume, wie viele Kinder darin sind und die baulichen Gegebenheiten der Schule berücksichtigen. Tendenziell seien zentrale Lüftungsanlagen eher bei Schulneubauten wirtschaftlich, während dezentrale Lösungen bei Bestandsgebäuden mit geringerem Aufwand auch im laufenden Betrieb nachgerüstet werden könnten, sagt Döring.
Messen über CO2
Lüftung in Schulen sei nicht erst seit Corona ein Thema. Nach 45 Minuten sei die Luft in einem Klassenraum verbraucht, stellt Döring fest. Der Gehalt an CO2 in der Raumluft durch das Ausatmen steige so stark an, dass die Konzentrationsfähigkeit der Schüler massiv nachlasse. Um das festzustellen, reiche es, den CO2-Gehalt mit relativ kostengünstigen Messgeräten zu überwachen. Solange der CO2-Gehalt aufgrund guter Lüftung gering sei, könne davon ausgegangen werden, dass auch der Anteil von Aerosolen und möglicherweise Schadstoffausdünstungen gering ist.
Bei dezentralen Anlagen bekommt jedes Klassenzimmer eine Anlage, die entweder fest programmiert ist oder von den Lehrern bedient werden kann. Bei großen Klassenräumen sind unter Umständen zwei Geräte erforderlich. Ein CO2-Wächter misst die Qualität der Luft und setzt bei Bedarf die Lüftung in Gang. Bei allen mechanischen Lüftungsanlagen müsse auf die Geräuschentwicklung geachtet werden, sagt Döring. Es gebe sehr leise Geräte, die kaum wahrgenommen werden. Laufe die Anlage kontinuierlich, genüge in der Regel eine sehr niedrige Drehzahl der Motoren, ohne den Unterricht zu stören. Es gebe Systeme, die einen guten Schallschutz gegenüber Außenlärm gewährleisteten, sagt Döring.
Wärme wird zurückgewonnen
Eine feste Programmierung gewährleiste die beste Raumluftqualität, werde aber von vielen Lehrern als zu unflexibel wahrgenommen, stellt der Belüftungsexperte fest. Eine manuelle Steuerung berge das Risiko von Fehlbedienungen und mache dem Hausmeister oft viel Arbeit. „Lüftungsanlagen sind keine Klimaanlagen“, sagt Döring. Die Fenster dürften geöffnet werden. Außerdem sorgten die Anlagen für frisch, gefilterte Außenluft. Eine Verkeimung sei deswegen nicht zu befürchten. Außerdem werde über die Anlage die Wärme der verbrauchten Luft zurückgewonnen.
Die Lüftung per Fenster hält Döring für möglich, sieht dort aber das Problem, dass häufig zu wenig und nicht richtig gelüftet werde. Wichtig sei, dass spätestens nach 45 Minuten für mindestens fünf bis zehn Minuten zwei Fenster vollständig geöffnet würden, rät Döring. Weil dabei die Räume im Winter oft auskühlen, werde anschließend die Heizung aufgedreht und der Raum überheizt.
Hoher Energieverbrauch
Eine Alternative seien automatische Lüftungsklappen mit eigenem Antrieb, zum Beispiel als Oberlicht in der Fensterfront. Die könnten ebenfalls über einen CO2-Wächter im Klassenraum gesteuert werden, sagt Döring. Damit könne die Raumluftqualität sichergestellt werden. Ein hoher Energieverbrauch lasse sich dabei aber nicht verhindern. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Lüftungsklappen bei hohem CO2-Gehalt auch in unpassenden Situationen aufgehen und Außenlärm hereinlassen.
Ob für den Einbau einer Lüftungsanlage eine Baugenehmigung erforderlich ist, hänge unter anderem davon ab, ob für die Kanäle tragende Bauteile, Brandschutzwände oder Geschossdecken durchbrochen werden müssen, sagt Döring. Bei dezentralen Anlagen müssten lediglich in den Außenwänden der Klassenräume Kernbohrungen hergestellt werden, was Konsequenzen für den Brandschutz haben kann und im Einzelfall geprüft werden müsse. In den oberen Stockwerken sei das nicht unbedingt der Fall. „Darüber ist ja keine Etage mehr“, sagt Döring.
Auf Grundlage einer Planung könne dann ein Leistungsverzeichnis für die Einholung von Angeboten erarbeitet werden. „Das geht nicht mal eben so“, sagt Döring. Erreichten die veranschlagten Kosten bestimmte Schwellenwerte, müsse unter Umständen Europaweit ausgeschrieben werden. Bis zu einem Ergebnis könnten dabei schon einmal mehrere Monate ins Land gehen. Aber auch dann sei es im Moment nicht sicher, ob Angebote eingehen. Handwerkerleistungen seien im Moment knapp. Das sehen auch Bürgermeister Hoffmann und der Fachbereichsleiter Bauen Puchert-Blöbaum so.