Warum Leader niemanden interessiert
Von Thomas Dohna
Leader soll den ländlichen Raum stärken. Das europäische Programm soll Geld in den ländlichen Raum bringen, mit dem der Zusammenhalt unter den Bürgern und in der Region gestärkt werden soll. Das ist eine gute Idee – nur schlecht umgesetzt und damit bürgerfern wie kaum ein anderes Förderprogramm, wie an der Auftaktveranstaltung für die kommende Förderperiode abzulesen war.
Das beginnt schon mit der Veranstaltungsart. Wie kann man ernsthaft auf den Gedanken kommen, eine Online-Veranstaltung für Bürger anzubieten, wenn man doch weiß, dass in etlichen Teilen Leopoldshöhes die Internetverbindungen so schlecht sind, dass Homeoffice und Homeschooling kaum möglich sind? Deutlicher hätte man kaum darstellen können, dass der Bürger im Leaderprozess trotz aller Lippenbekenntnisse ein eher untergeordneter Faktor ist, was sich auch an den Teilnehmern zeigte.
Erst waren es 46, am Ende 36 Personen. Wenn man alle Amtsträger, Mitarbeiter von Verwaltungen, Pressevertreter, Vertreter der moderierenden Büros und Vertreter von Verbänden abzieht, bleiben kaum noch eine Handvoll Bürger übrig. Ganz abgesehen davon, dass kaum für die Veranstaltung geworben wurde, was ein Teilnehmer kritisch anmerkte. Sich, wie die Moderatorin, darauf zurückzuziehen, dass sich ja seit Beginn der ersten Förderperiode 2014 die Medienlandschaft verändert und man sich darauf noch nicht eingestellt habe, ist mehr als kümmerlich.
Leader war und ist eine Bürgermeisterveranstaltung, für die unnötige, sehr kostenintensive Doppel-Strukturen geschaffen werden, unter anderem ein geschäftsführender Vorstand, in dem ausschließlich die drei Bürgermeister der beteiligten Kommunen sitzen. Die meisten Projekte in der zu Ende gehenden Förderperiode waren entweder unnötig, haben zu nichts geführt oder hätten von den Kommunen ohnehin finanziert werden müssen – nur aus anderen Töpfen.
Studien mit bekannten Erkenntnissen
Ein paar Beispiele aus Leopoldshöhe: Mit großem Tamtam kündigten die Leadergremien Studien zur Identifikation und Ehrenamt sowie zur Gesundheitsversorgung an und verkündeten dann die Ergebnisse. Folgen für die Lebenswirklichkeit der Menschen in Leopoldshöhe haben diese zusammen deutlich mehr als 100.000 Euro teuren Studien nicht. Können sie auch nicht.
Die Ehrenamtsstudie zeigt, dass die Menschen mit ihren Aufgaben zufrieden sind und dass die Identifikation mit ihrer Gemeinde eher zweitrangig ist. Welch‘ grandiose Erkenntnis! Wer je im ehrenamtlichen Bereich tätig war, weiß, dass unzufriedene Ehrenamtliche eine Kündigungsfrist von einer Sekunde haben. Eine zweite Erkenntnis: Ehrenamtliche wollen gern die Folgekosten von Investitionen und Förderungen finanziell verlässlich über Jahre hinweg abgesichert wissen. Auch das ist keine neue Erkenntnis, denn das ist die Lebenswirklichkeit in allen Vereinen und Ehrenamtsinstitutionen. Die 50.500 Euro für diese Studie hätten besser dorthin gesteckt werden sollen. Aber halt: Das ist ja bei Leader wie bei den meisten Förderprogrammen nicht vorgesehen.
Auch die Studie zur Gesundheitsversorgung war ein sogenannter Bullshit-Job. Dass Telemedizin im ein oder anderen Fall die ärztliche Versorgung verbessern kann, ist vielfach andernorts untersucht und bestätigt worden. Die Beobachtung, dass es dazu ein gut ausgebautes Internet mit ausreichenden Breitbandleistungen geben muss, ist auch nicht neu. Die Kosten dieser Studie (63.800 Euro) wären sicher besser in der schnellen Versorgung der Bevölkerung mit einem Bereitbandnetz angelegt gewesen.
Drei Millionen Euro
Ein drittes Beispiel: Der Umbau und die Modernisierung des Heimathofes wird aus Leadermitteln gefördert. Die Vorhaben standen ohnehin an. Warum müssen sich neben dem Gemeinderat noch Gremien der sogenannten Leaderregion 3L und die Bezirksregierung damit beschäftigen, um zum selben Ergebnis zu kommen?
Ein letztes Beispiel: Einige Kinderspielplätze sollen oder werden in Leopoldshöhe aufgewertet. Anhand eines 40-Punkte langen Kriterienkatalogs wird bewertet, ob ein Projekt, hier ein Spielplatz würdig ist, bezuschusst zu werden. Erstaunlicherweise haben zu Beginn der Förderperiode keine und zu deren Ende hin gleich mehrere Spielplätze die Kriterien erfüllt. War etwa noch Geld übrig?
Immerhin stehen den drei Kommunen zusammen über acht Jahre hinweg 2,7 Millionen Euro zur Verfügung, das sind im Schnitt 125.000 Euro pro Kommune und Jahr. Für Leopoldshöhe sind das weniger als 0,4 Prozent der gesamten jährlichen Haushaltsumme. Um das Geld zu verwalten, verlangt die Europäische Union die Einrichtung der Stelle eines sogenannten Regionalmanagers. Dessen Arbeitsplatz darf aber nicht in einem Rathaus sein. Die für die Region Lemgo, Leopoldshöhe und Lage zuständige Person sitzt im Haus des Gastes in Lage-Hörste. Dort stand 2014 nicht einmal ein ausreichendes Internet zur Verfügung. Zwei Jahre brauchte es, bis Managerin und Region arbeitsfähig waren. Als sei das noch nicht genug, darf die Region nicht einfach so das Geld ausgeben. Die Bezirksregierung muss das auch noch genehmigen, jeden Cent.
Bürokratischer Wahnsinn
Das alles darf man mit Fug und Recht als bürokratischen Wahnsinn bezeichnen. Besser und effektiver wäre es, die EU und das Land NRW würden alle in dem Programm steckenden Mittel einschließlich der Personal- und Beratungskosten nehmen und den sogenannten kleinen Kommunen als jährliche Ehrenamtspauschale auszahlen. Vorbilder dafür gibt es. Seit vielen Jahren bekommen die Kommunen sogenannte Schul- und Sportpauschalen, aus denen sie ihre Ausgaben für Schule und Sport bestreiten müssen. Sie dürfen das Geld über die Jahre ansparen. Das wäre ein Beitrag zum von der amtierenden Landesregierung geforderten Bürokratieabbau und eine echte dauerhafte Stärkung des Ehrenamtes.