
Martha Ruthe, 95
Für Martha Ruthe ist der 8. Mai ein besonderer Tag. Nicht wegen des Kriegsendes 1945, sondern weil er der Geburtstag ihres Mannes ist. 1945 kannte Martha Ruthe ihren Mann schon. 1948 heirateten sie. Zu Kriegsende war Martha Ruthe 20 Jahre alt. Ihr damals zukünftiger Mann war zu Haus. Er war verwundet.
Martha Ruthe erinnert sich, dass die Schwiegereltern ihm einige Wochen lang rieten: „Bleib hier, der Krieg geht zu Ende.“ Martha Ruthe lebte bei Bauer Hameier. Von dort war sie im April 1945 unterwegs nach Sylbach. Dort gab es einen besonders guten Bäcker. Sie wollte Kuchen für das Kaffeetrinken am Nachmittag besorgen. Sie war unterwegs auf der Straße von Heipke nach Pottenhausen und konnte noch das Schießen aus Richtung Oerlinghausen hören. Da wurde noch gekämpft. Als sie dann auf der Höhe Siekkrug war, kam plötzlich ein Panzer. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah Martha Ruthe Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Sie war erschrocken. „Wir hatten tüchtig Angst“, sagt sie. Ein Soldat stand im Panzer. Doch, ganz anders als erwartet, warf er ihr Schokolade zu. Sie war gerührt und ist es immer noch, wenn sie daran denkt. Soviel Angst und dann Schokolade: „Das habe ich erst gar nicht begriffen,“ sagt sie. Sie erinnert dann, dass die Soldaten in den Häusern gestöbert haben, Schinken und Mettwürste mitnahmen und manches andere. Martha Ruthe ist nicht bekannt, dass die Amerikaner irgendjemand angegriffen hätten. Jeder war froh,, dass der Krieg nun vorbei war.
Protokoll: Kornelia Schauf
Elfriede Kuffemann, 86
Ihre Familie wohnte damals an der Straße Am Pansbach in Bechterdissen. Anders als heute gab es dort nur ein paar Häuser. Der Vater war als Soldat in Russland. 1944 verlegte ihn die Wehrmacht an die Westfront in den Schwarzwald. „Da ist er schwer krank geworden“, erinnert sich Elfriede Kuffemann. Ein Arzt überwies den Vater ins Lemgoer Lazarett. Sie hörte, wie deutsche Soldaten die Brücke über die Autobahn an der noch heute existierende Gaststätte Deppe in Lämershagen sprengten. „So sollten die amerikanischen Panzer aufgehalten werden“, sagt sie. Elfriede Kuffemann erinnert sich an die Kämpfe um Oerlinghausen. Die Mutter sagte: „Früher brannte auf dem Berg das Osterfeuer, jetzt brennt die ganze Stadt.“ Elfriede Kuffemann erinnert sich noch an den Feuerschein und an den Satz des deutschen Offiziers, der sagte, er wolle aus Oerlinghausen das zweite Stalingrad machen. Die Familien lebten auf drei kleinen Zimmern. Ein einem war eine Mutter aus Bielefeld mit ihren zwei Kindern untergebracht. Während der Kämpfe saßen alle im Keller und kochten Pellkartoffeln. Als die Amerikaner kamen hängte die Mutter ein weißes Tuch aus dem Fenster. „Ich habe sie gefragt, warum sie das macht“, erinnert sich Elfriede Kuffemann. „Damit das Haus nicht beschossen wird.“ In Helpup haben viele Häuser gebrannt, erinnert sie sich. In Bechterdissen sei kein Haus zerstört worden. Die Amerikaner durchsuchten die Häuser. Sie ließen die Bäckerei in Asemissen Mehl abgeben. Der Vater wurde aus dem Lazarett entlassen und kam nach Hause zurück. Am 16. Juli 1945 starb er. Elfriede Kuffemann geht das immer noch nahe. Die Evakuierten waren wieder nach Bielefeld gezogen. „Das war eine sehr harte Zeit als Halbwaise“, stellt sie fest. Eine sehr gute Nachbarschaft mit dem späteren Bürgermeister von Bechterdissen, Willi Kastrup, gab es. Noch 1945 ging sie wieder zur Schule. 1948 verließ sie sie und lernte Näherin.
Protokoll: Thomas Dohna



