„Es ist eine Landschaft wie hier“

Detlef Schewe, Lars Koppmann, Christopher Dove, Kai Schewe, Florian Selisko, Mark Friedemann und Andreas Bolz (von links) waren mit Max Schewe und dem Rüstwagen der Leopoldshöher Feuerwehr im Kreis Euskirchen im Einsatz.
Detlef Schewe, Lars Koppmann, Christopher Dove, Kai Schewe, Florian Selisko, Mark Friedemann und Andreas Bolz (von links) waren mit Max Schewe und dem Rüstwagen der Leopoldshöher Feuerwehr im Kreis Euskirchen im Einsatz.

Leopoldshöher Feuerwehrleute berichten vom Unwettereinsatz

Leopoldshöhe/Kreis Euskirchen (ted). Der Alarm kam am Abend. Um 22.30 Uhr war Abmarsch an der Wache am Schuckenteichweg. Für Lars Koppmann, Christopher Dove und sechs weitere Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe begann am vergangenen Mittwoch ein außergewöhnlicher Einsatz.

Eigentlich sollten die Leopoldshöher Kräfte zu Hause bleiben. Sie gehören zur Logistikeinheit der Bezirksreserve 04. Die war in den ursprünglichen Überlegungen zum Hochwassereinsatz im Rheinland nicht gefragt. Außerdem stellt die Leopoldshöher Feuerwehr einen wesentlichen Teil des ABC-Zuges der Kreisfeuerwehr, der trotz überörtlicher Hilfe neben der Feuerwehr selbst einsatzbereit bleiben muss.

Schließlich kam der Leopoldshöher Rüstwagen doch mit, um am Einsatzort den Grundschutz bei Autounfällen und anderen Fällen technischer Hilfe sicherstellen zu können. Als Besatzung fuhren unter der Leitung von Christopher Dove Mark Friedemann und Florian Selisko mit. Lars Koppmann ist Führungskraft sowohl der Leopoldshöher Wehr als auch auf Kreisebene und war auf dem Einsatzleitwagen des Kreises eingesetzt. Er sollte die Leitung der Feuerwehr im Einsatzgebiet unterstützen.

Gegen 6 Uhr morgens trafen die Leopoldshöher in der Stadt Euskirchen ein. „Alle möglichen Straßen waren gesperrt“, sagt Christopher Dove. Einige wegen normaler Baustellen, andere ad hoc, weil sie wegen des Unwetters nicht mehr passierbar waren. In Euskirchen trennte die Einsatzleitung den aus Lippischen und Gütersloher Kräften bestehenden Verband. Die Gütersloher seien nach Bad Münstereifel verlegt worden, die Lipper nach Dom-Esch, berichtet Lars Koppmann. Dom-Esch ist einer der vielen kleinen Orte im Kreis Euskirchen, süd-östlich der Stadt Euskirchen gelegen.

Kaum Zerstörungen, viel Wasser

In dem Ort gibt es eine Feuerwache, in der eines der acht sogenannten HFS-Systeme der nordrhein-westfälischen Feuerwehren stationiert ist. Das „Hytrans Fire System“ (HFS) besteht aus einer sehr leistungsfähigen Pumpe und 2.000 Metern Schläuche, die aus einem auf einen Lkw geladenen Abrollbehälter heraus mit 40 Kilometern pro Stunde ausgerollt werden können. „Das System ist mit einem System aus Essen und einer Hannibal-Pumpe des Technischen Hilfswerkes beim Abpumpen der Steinbach-Talsperre eingesetzt worden“, berichtet Koppmann.

An der Feuerwache sollten die Leopoldshöher zusammen mit einem Lemgoer Löschfahrzeug, Oerlinghauser Kräften sowie dem Einsatzleitwagen das tun, was Feuerwehren üblicherweise leisten: den sogenannten Grundschutz stellen, also Einsätze bei Bränden oder Unfällen fahren. Wie sich später herausstellte, hatte die Feuerwehr im Kreis Euskirchen elf Fahrzeuge in den Fluten verloren. „Die Oerlinghauser waren dabei, weil es bei ihnen Notfallsanitäter gibt. Es stand außer uns kein anderes Rettungsmittel zur Verfügung“, berichtet Dove. Also wären sie auch zu Einsätzen herausgefahren, bei denen unter normalen Umständen ein Rettungswagen ausgereicht hätte.

Auf dem Weg nach Dom-Esch hätten sie kaum Zerstörungen gesehen. „Nur Wasser“, berichtet Christopher Dove. Große Monokulturen hätten unter Wasser gestanden. „So müssen Reisfelder aussehen“, hätten sie sich gedacht, berichtet Lars Koppmann.

Kaum Handy-Empfang

In Dom-Esch angekommen mussten sich die Kräfte erst einmal sortieren, eine Kommunikation aufbauen, auf der Wache zurechtfinden, Kontakt mit den örtlichen Feuerwehrleuten aufnehmen. „Wir hatten weder Strom, noch Trinkwasser noch Handy-Empfang“, sagt Dove. Immer wieder beobachteten die Leopoldshöher Ansammlungen von Fahrzeugen und Menschen und konnten sich zunächst keinen Reim darauf machen – bis sie herausfanden, dass dort Stellen waren, an dem Handy-Empfang noch möglich war.

Bald bekam der Löschzug einen Einsatzbefehl in den Ort Flamersheim. „Alle paar Kilometer knatterte mein Smartphone, weil wir gerade wieder durch einen Streifen mit Empfang gefahren waren“, berichtet Dove. Weil es keine Karten auf Papier gab und die Navigation per Smartphone-App nicht funktionierte, bekamen die Wehrleute Ortskundige auf die Autos.

Evakuierung eines Altenheims

In Flamersheim sollte die Evakuierung des Ortes vorbereitet werden. Der Ort liegt unterhalb der zu dem Zeitpunkt noch instabilen Steinbach-Talsperre. Lars Koppmann und der Stab organisierten Busse, um die Bewohner eines Altenheims und die Patienten einer Suchtklinik nach Euskirchen bringen zu lassen.

In einer zuvor noch überfluteten Straße steht der Rüstwagen der Leopoldshöher Feuerwehr und sorgt für Strom für Pumpen. Foto: Freiwillige Feuerwehr Leopoldshöhe
In einer zuvor noch überfluteten Straße steht der Rüstwagen der Leopoldshöher Feuerwehr und sorgt für Strom für Pumpen. Foto: Freiwillige Feuerwehr Leopoldshöhe

Immer wieder seien Gerüchte durch die Bevölkerung gelaufen, der Damm der Talsperre sei gebrochen. Rücksprachen über Funk hätten ergeben, dass daran nichts war, sagt Christopher Dove. Nur einmal habe es eine Nachricht über Funk gegeben, dass der Damm sich bewege. „Ich habe gefragt, in welche Richtung wir fahren müssen, um zum nächsten Berg zu kommen. Ich habe die Fahrzeuge um 180 Grad drehen lassen.“, berichtet Dove. Insgesamt sei die Kommunikation über den digitalen Feuerwehr- und Behördenfunk sehr gut gelaufen. Das sei für ihn die funktechnisch erste wirklich herausfordernde Lage gewesen, sagt der IT-Fachmann. „Ich bin vom Digitalfunk begeistert.“

Anders als beim Elbehochwasser

Auffällig sei der viele Verkehr auf den noch intakten Straßen gewesen, sagt Dove und erklärt sich das mit Berufsverkehr. „Die Menschen haben am Freitag noch gearbeitet“, hat Lars Koppmann beobachtet.

Beide, Christopher Dove und Lars Koppmann, waren sowohl beim Elbehochwasser 2013 als auch beim Sturm-Unwetter in Mülheim ein Jahr später im Einsatz. Beide Einsätze seien anders gewesen als dieser hier. Einsätze wie an der Elbe seien planbar. Da stehe fest, in wie vielen Stunden man wie viele Helfer an einer bestimmten Stelle brauche. An der Elbe seien Orte entlang des übergetretenen Ufers überflutet gewesen. In Kreis Euskirchen war das anders: „Die Orte waren flächendeckend unter Wasser“, sagt Lars Koppmann. Topographisch sei die Gegend dort ähnlich wie in Lippe. Die Eifel sei am Horizont zu erkennen: „Es ist eine Landschaft wie hier.“ Diese Erkenntnis sitzt Koppmann in den Knochen. So etwas wie im Rheinland könne sich genauso hier auch wiederholen, sollte sich ein Tief wie „Bernd“ über Ostwestfalen-Lippe entladen.

Leitungen freigespült

Das Wasser sei in einer Welle gekommen. Er habe eine große Garage gesehen, von der nur noch die Bodenplatte da gewesen sei, berichtet Koppmann. An einer Straße, durch die eine solche Welle gegangen sei, habe er ein Auto auf einem Feld gesehen und eines in einem Baum. Fahrbahnen seien intakt geblieben, während Gehwege bis hinunter auf die in ihnen liegenden Leitungen freigespült worden seien, hat Dove beobachtet. An einer eingleisigen Bahnstrecke sei der Schotter weggespült worden. „Sobald das Wasser einen Angriffspunkt hatte, wurde der mitgerissen.“

Der Schotter, der unter den Schienen eingebaut war, ist weggespült. Foto: Freiwillige Feuerwehr Leopoldshöhe
Der Schotter, der unter den Schienen eingebaut war, ist weggespült. Foto: Freiwillige Feuerwehr Leopoldshöhe

Nach 48 Stunden lösten Detlev, Kai und Max Schewe sowie Andreas Bolz Lars Koppmann, Christopher Dove, Mark Friedemann und Florian Selisko ab. Der Rüstwagen blieb. Nach weiteren 48 Stunden war auch die zweite Mannschaft wieder zu Hause, mit dem verschlammten Rüstwagen, den sie mit der Mannschaft der ersten Runde in einer Gemeinschaftsaktion wieder einsatzfähig machte.