Neujahrsempfang der FDP
Oerlinghausen/Leopoldshöhe (ted). Das letzte Mal war Wolfgang Kubicki zu Gast. Damals, 2020, war Wahlkampf. Dieses Mal ging es beim Neujahrsempfang des FDP-Stadtverbandes Oerlinghausen-Leopoldshöhe um den Aufbau der medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld und die Folge für Lippe. Es war der erste Neujahrsempfang in Präsenz seit 2020. Hauptrednerin war Claudia Hornberg, Gründungsdekanin der medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld.
Seit etwa 20 Jahren sind die Ortsverbände der Liberalen in Leopoldshöhe und Oerlinghausen vereint. Damals war die FDP in Leopoldshöhe ein noch kleinerer Ortsverein als heute. Sie hatte einen Sitz im Gemeinderat. In den 1970er Jahren waren es zumindest zwei Wahlen hintereinander drei.
Bei der jüngsten Kommunalwahl 2020 fuhr die FDP in Leopoldshöhe das beste Wahlergebnis seit der Kommunalreform ein. Ulrich Meier zu Evenhausen erreichte als Bürgermeisterkandidat rund 15 Prozent der Wählerstimmen und hätte damit den SPD-Kandidaten Martin Hoffmann um ein halbes Prozent fast in eine Stichwahl gezwungen. Mit fast elf Prozent der Wählerstimmen für den Gemeinderat erreichten die Liberalen eine nie da gewesene Stärke im Gemeinderat.
Dagegen erreichte die FDP in Oerlinghausen mit drei Sitzen im Stadtrat und 9,26 Prozent der Wählerstimmen ihr zweitschlechtestes Ergebnis seit mehr als 50 Jahren. Im Vergleich zu 2014 musste die Partei einen Sitz abgeben, auch weil der Stadtrat zwei Sitze weniger hat als 2014. Oerlinghausen galt einst als Hochburg der Liberalen mit Stimmenanteilen von bis zu 27,1 Prozent im Jahr 1969.
FDP-Stadtverbandsvorsitzender Tobias Jaehn erwähnte die Erfolge der Leopoldshöher FDP mit keinem Wort. Immerhin hatten die Leopoldshöher Liberalen das drittbeste Ergebnis im Kreis Lippe eingefahren, nach Schieder-Schwalenberg (15,18 Prozent) und Extertal (15 Prozent), dort mit dem heutigen Bundestagsabgeordneten Christian Sautter an der Spitze.
Jaehn lobte die Kreis-FDP mit gewonnenen 6,4 Prozent, die FDP im Land, obwohl sie die Wahl krachend verloren hat und damit aus der Regierung geflogen ist. Jaehn spekulierte darüber, ob die bunten Eier von Ulrich Meier zur Evenhausens Hof beim nächsten Wahlkampf verteilt werden. Das sei ungewiss, meinte Jaehn.
Oerlinghausens Bürgermeister Dirk Becker (SPD) erinnerte an den Empfang 2020. Damals habe Kubicki in einem Gespräch mit ihm, Becker sich nicht vorstellen können, dass die SPD Wahlen gewinnen könne. Nun führt die SPD die Bundesregierung, in der auch die FDP sitzt. Becker erinnerte an die Belastungen der Corona-Pandemie. „Was haben die Menschen über sich ergehen lassen müssen“, fragte Becker. Niemand habe sich vorstellen können, solche Einschränkungen der Freiheit hinnehmen zu müssen, was staatliche Organisationen hätten leisten müssen.
„Wir sind dankbar, die Freiheit in diesem Jahr wieder genießen zu dürfen“, sagte Becker. Er erinnerte an den Krieg Russlands gegen die Ukraine, an die „sinnlos verheizte Jugend Russlands“, an die befürchtete Energiemangellage. „Da soll ich ein frohes neues Jahr wünschen“?“, fragte Becker.
Er erinnerte daran, das „wir alle, nicht nur die Politik“ Verantwortung dafür tragen, das die Zukunft gelingen kann, „nicht muss und nicht soll, kann“, bekräftigte Becker. An die Landes- und Bundespolitiker appellierte Becker, die Kommunen in ihren Finanznöten nicht allein zu lassen. Fehlendes Personal, fehlende Wohnungen, auch für Geflüchtete, sprach Becker an. Die steigenden Zinsen ließen in den Kommunen die Alarmglocken klingeln.
Der Kreis erhöhe seine Umlage, die von den Städten und Gemeinden zu zahlen ist. Becker bat das Land, endlich eine kommunale Finanzreform in Angriff zu nehmen. Weniger Förderprogramme, die viel Arbeitszeit verbrauchen, und stattdessen das Geld direkt an die Kommunen geben. „Weniger Anspruchsdenken täte uns gut“, meinte Becker.
Landrat Axel Lehmann verteidigte die Erhöhung der Kreisumlage. Bei einem Haushalt von 600 Millionen Euro zeichne sich ein Defizit von 60 Millionen Euro ab, sagte Lehmann. „Ohne Hilfe von Land und Bund wird es nicht funktionieren“, warnte Lehmann. Der Demografische Wandel sei seit 30, 40 Jahren bekannt. Es fehlten Busfahrer, Erzieherinnen und Erzieher. „Wir drohen Wohlstand zu verlieren“, sagte Lehmann. Er wies auf Erfreuliches hin. In diesem Jahr werde 900 Jahre Ersterwähnung Lippes und 50 Jahre Kreis Lippe gefeiert.
Marc Lübke ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag und deren innenpolitischer Sprecher. Er wolle ein Jahr des Respekts erleben, für unterschiedliche Positionen und Bewertungen. Weniger Anspruchsdenken, weniger Empörung, vor allem mehr Respekt für den Rechtsstaat. Er sei in Lützerath gewesen. Er habe keine Polizeigewalt gesehen, wohl aber Parolen, die Angriffe auf die Polizei rechtfertigten. Die Hauptrednerin des Empfangs Claudia Hornberg, wies später in einer Anmerkung darauf hin, dass seit Jahren bekannt sei, dass solche Demonstrationen von Extremisten unterwandert würden.
Der Rechtsstaat müsse klare Kante zeigen, forderte Lübke mit Blick auf die Ereignisse in der Silvesternacht, in der es in mehreren Städten zu Ausschreitungen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte gekommen war. Es dauere bis zu einem Jahr, dass Nicht-Haftsachen vor Gericht behandelt würden. Er forderte mehr Personal in der Justiz. Dafür ist vor allem das Land zuständig. Die erstinstanzlichen Verfahrensdauern sind nach Angaben des NRW-Justizministeriums von 2010 bis 2020 sowohl unter SPD- als auch unter CDU-Ministern von sechs auf 8,4 Monate gestiegen.
Frank Schäffler, FDP-Bezirksvorsitzender Ostwestfalen-Lippe und Bundestagsabgeordneter, beackerte sein Lieblingsthema: die aus seiner Sicht gefährdete Marktwirtschaft und die „Systemkritik“ an ihr. Er bezog sich auf den Bestseller der Journalistin der Tageszeitung TAZ Ulrike Hermann, die das Ende des Kapitalismus für unumgänglich hält, weil für den Erhalt einer belebbaren Umwelt ein grünes Schrumpfen der Wirtschaft und Verzicht nötig sei.
Technische Möglichkeiten allein könnten den Anstieg der Emissionen nicht verhindern, schreibt Herrmann. Sie führt als Beispiel einer solchen Wirtschaft die britische Kriegswirtschaft seit 1938 an. Dem widersprach Schäffler vehement. Allein der Kapitalismus habe den Hunger in der Welt verringert. Er erinnerte auch an die Versammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848, vor 175 Jahren, in der die Grundlangen für das heutige Grundgesetz erarbeitet worden seien.
Claudia Hornberg vollführte einen Parforce-Ritt durch die noch kurze Geschichte der medizinischen Fakultät der Universität Lippe. Nach zehn Jahren politischer Vorbereitung habe es 2017 einen mündlichen Auftrag gegeben. Zum Wintersemester 2020/2021 sollte die Fakultät ihren Betrieb aufnehmen. Am Ende der Gründungsphase sollten 300 Studenten an der Fakultät lernen, mit einem allgemeinmedizinischen Schwerpunkt.
Sie beschrieb die Bemühungen, drei Kliniken in OWL (Bielefeld, Lippe und Bethel) und niedergelassene Ärzte als Ausbildungspartner zu finden. 80 werden es sein. Im Oktober 2021 nahm die Fakultät den Betrieb mit 60 Studierenden auf. Das sei nur durch große politische Unterstützung möglich geworden. „Ständige Kritik aus der Politik, das nichts läuft, ist nicht hilfreich“, sagte Hornberg.
Die Fakultät verfüge über eine auskömmliche Finanzierung, mehr als in Bochum, weniger als in Münster und Köln. innerhalb von zehn Jahren solle auch der Bereich Forschung ausgebaut sein. „Dafür braucht man Geld“, stellte sie fest. Bei der Entwicklung des Lehrplans hätten die Kliniken, aber auch viele niedergelassene Ärzte mitgearbeitet, manche freigestellt, andere in ihrer Freizeit. Die Studenten würden vom ersten Semester an in die Versorgung eingebunden. Ein Modell, dass auch an der medizinischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität in Zusammenarbeit mit der Charité verfolgt wird. Damit und mit der Einbindung der niedergelassenen Ärzte ist sich Hornberg sicher, dass viele der Studenten in Ostwestfalen-Lippe bleiben. In der Wirtschaft wird das Klebe-Effekt genannt.
34 Professuren soll die Fakultät umfassen, 28 davon sind besetzt. Für die übrigen laufen die Verfahren. Dazu sollen noch sogenannte außerplanmäßige Professuren kommen. Wichtig sei, die Belastung der Studierenden im Auge zu haben, deswegen gebe es Winter- und Summer-Schools, in denen die Studierenden ihr Tun reflektieren lernen. In halbjährlichen Tests wird die Leistung der Studierenden untersucht und in Vergleich zu 17 anderen Universitäten gesetzt, nicht um zu prüfen, sondern um den Studierenden bei Defiziten besser Hilfe anbieten zu können, sagte Hornberg. In der Fakultät soll auch die Digitalisierung der Medizin- und Patientendaten erforscht und gelehrt werden.
In einer Professur für Ethik soll die Verteilung knapper medizinischer Leistungen und Güter beleuchtet werden. Es soll interdisziplinär gearbeitet werden. Es gibt ein Förderprogramm für Frauen, denn sowohl bei den Chefärzten als auch bei den Professuren sei bei die Zahl der Frauen noch Luft nach oben. Natürlich sollen auch Promotionen und Habilitationen möglich sein.
Daneben braucht es auch Raum. Auf dem Gelände der Universität Bielefeld sei kräftig gebaut worden. 12.000 Quadratmeter Fläche stünde der Fakultät zur Verfügung. Hornberg warb für eine Führung übers Gelände.
Anschließend gab‘s noch ein paar Fotos, Gespräche und Grünkohl.