Diese Frauen retten, bergen, löschen

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Die Feuerwehrfrauen in ihrer Einsatzkleidung. Foto: Thomas Dohna

Bei der Freiwilligen Feuerwehr ist der Anteil der weiblichen Einsatzkräfte mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt

Leopoldshöhe. Sie könnten zwei Gruppenfahrzeuge allein besetzen und damit mittlere Brände und Unfälle abarbeiten. Sie, das sind die Frauen der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe. Hier stellen 18 weibliche Einsatzkräfte zwischen 19 und 51 Jahren ihre Fähigkeiten in den Dienst der Allgemeinheit. (Hinweis: Der Text ist zum Internationalen Frauentag am 8. März entstanden, also vor den inzwischen verhängten Versammlungsverboten.)

Fast eine Million aktive Feuerwehrleute gab es Ende 2016 bei den Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland, hat der Deutsche Feuerwehrverband gezählt. Knapp 92.000 sind weiblich, knapp 10 Prozent. Die Leopoldshöher Wehr ist etwa 80 Einsatzkräfte stark, knapp 25 Prozent sind weiblich. Sie empfinden das als ganz normal. Dabei ist es erst 30 Jahre her, dass auch Frauen in die Freiwilligen Feuerwehren aufgenommen werden dürfen.

Die Feuerwehrfrauen in Zivil vor dem Einsatzwagen. Foto: Thomas Dohna

Claudia Wittig und Petra Schubert sind seit 16 Jahren dabei. Sie sind sogenannte Seiteneinsteiger. So werden Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren genannt, die nicht in der Jugendfeuerwehr waren. Damals warben die Feuerwehren besonders um die Frauen. Claudia Wittigs Mann war schon dabei, sie ging zum Dienstabend – und blieb. Zuvor hatte die heute 42-Jährige bei einer anderen Wehr in Lippe angefragt – und das Angebot bekommen, Waffeln zu backen.

14 Tage später begegnete Wittig ihrer Bekannten Petra Schubert, „Komm doch mal mit“, habe Wittig gesagt. „Wir sind damals zur Ausbildung noch in gebrauchten Klamotten gefahren“, erinnert sich Schubert. Alle anderen Frauen danach hätten für die ersten Lehrgänge neue Ausrüstungen bekommen. Heute leitet die 51-Jährige das kreisweite Team für die Psycho-Soziale Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehren. Damals gab es noch keine getrennten Umkleiden. „Wir haben die Frauen gefragt, ob ihnen das etwas ausmacht“, erinnert sich Detlev Schewe, der stellvertretende Leiter der Leopoldshöher Wehr. Die Antwort war ein entschiedenes „Nein“.
Zu denen, die danach kamen, gehört Nadine Brokmeier (37). Ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann war schon Mitglied in der Leopoldshöher Wehr. Sie ging mit. „Ich habe meinen ersten Schlauch im Modul 1 gerollt“, sagt sie. „Modul 1“ ist der erste Ausbildungslehrgang für neue Feuerwehrleute. Nach vier Modulen sind sie für Einsätze ausgebildet.

Andrea Golücke ging den heute üblichen Weg. Mit zwölf Jahren trat sie in die Jugendfeuerwehr ein. Sie sei familiär vorbelastet, sagt sie. Ein Verwandter nahm sie mit. „Ich fühlte mich gut aufgenommen“, sagt die 35-Jährige. Sie habe in der Feuerwehr Anschluss und dann auch Freunde gefunden.

Noch nicht wirklich lange dabei ist Louisa Tölke. Sie ging zur Jugendfeuerwehr, weil es sie interessierte. „Nach mir kam dann ein ganzer Schwung Mädchen“, erinnert sie sich. Klar habe es in der Jugendwehr mehr Jungen als Mädchen gegeben, sagt sie. Dass Mädchen dabei waren, sei aber relativ normal gewesen.

Claudia Wittig ist es wichtig zu betonen, dass die Frauen die gleichen Anforderungen erfüllen müssen wie die Männer. Sie ist sogenannte Atemschutzgeräteträgerin, das heißt, sie darf und muss Einsätze unter Atemschutz leisten. ATGler heißen sie im Feuerwehr-Jargon „Wir müssen durch dieselbe Strecke wie die Männer“, sagt sie. Die Strecke, das ist ein System aus Kriechgängen, durch die die angehenden ATGLer kriechen und klettern müssen. Maximal eine halbe Stunde haben sie Zeit. Sie können kaum etwas sehen, weil der Raum vernebelt ist. Luft bekommen sie aus der Druckluftflasche des Atemschutzgerätes. „Da kommen Frauen mit mehr Luft in der Flasche heraus als Männer“, sagt Wittig. Die Menge der verbliebenen Luft in der Flasche gilt als Gradmesser für Stress und Anstrengung. Die Hälfte der Leopoldshöher Feuerwehrfrauen ist AGTler. Das entspricht der Quote bei den Männern, bestätigt Schewe.

Sie kommen gut mit den Männern aus, bekräftigen die Frauen. Dennoch gönnen sie sich ab und zu „Mädels-Dienstabende“, wie sie es nennen. Birgit Niekamp, Oberbrandmeisterin und damit einzige Führungskraft unter den Frauen, leitet sie. Sie könnten da auch mal andere Fragen oder die Fragen anders stellen, denn die meisten Frauen seien keine Handwerkerinnen. Sie sind Studentinnen, Beamtinnen, Lehrer-innen, Erzieherinnen, arbeiten in Apotheken oder im Büro.

Im Einsatz ist es gleich, ob Frau oder Mann ans Feuer geht. „Das kann man unter der Maske oft ohnehin nicht erkennen“, hat Schewe beobachtet. „Wir alle zusammen, wir wuppen das“, sei die Einstellung aller Wehrleute, betont Petra Schubert.

Die Frauen hätten nichts dagegen, wenn sie noch mehr werden würden. Es gebe da nur ein Problem: „Die Umkleiden sind jetzt schon zu klein“, sagt Claudia Wittig. Obwohl: „Wir sind eine tolle Gemeinschaft“, schwärmt sie.

Freiwillige Feuerwehr

Die Freiwilligen Feuerwehren sind öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Kommunen. Sie sind per Gesetz dazu verpflichtet, den Brandschutz und damit eine Feuerwehr zu unterhalten. Kreisfreie Städte müssen eine Berufsfeuerwehr haben, mittlere kreisangehörige Städte oft auch. Gemeinden in der Größe Leopoldshöhes sollen eine Freiwillige Feuerwehr aufbauen. Gelingt das nicht, müssen sie eine Pflichtfeuerwehr einrichten, zu der jeder Frau und jeder Mann zwischen 18 und 60 Jahre herangezogen werden kann.

Warum sind diese Frauen bei der Freiwilligen Feuerwehr?

Anita Seidensticker: Mein Vater ist dabei und ich gefühlt schon immer.
Katrin Andresen: Ich bin bei der Feuerwehr, weil mir die Gemeinschaft so gut gefällt.
Ina Wend: Ich möchte meine Mitmenschen schützen.
Andrea Golücke: Es macht Spaß, mit dem Team zusammenzuarbeiten und Gutes zu tun.
Jacquelin Schell: Es ist schön mitzuerleben, wie sich die Leute freuen, wenn wir geholfen haben.
Nadine Friedemann: Ich bin bei der Feuerwehr, weil Frauen genauso anpacken können wie Männer.
Nadine Brokmeier: Es ist ein Ausgleich zum Beruf. Und für Technik habe ich mich schon immer interessiert.
Petra Schubert: Ich möchte mich engagieren und habe hier gute Freundschaften gefunden.
Louisa Tölke: Ich bin dabei, weil das Ehrenamt mir das Gefühl gibt, Teil der Gemeinde zu sein.
Britta Heuckeroth: Ich durfte alles ausprobieren. Die Technik ist ein Ausgleich zu meinem Beruf.
Anna Wend: Ich bin familiär geprägt. Ich bin zum Dienstabend gegangen und fand es toll.
Claudia Wittig: Ich bin bei der Feuerwehr, weil es mich glücklich macht, anderen Menschen zu helfen.