Überlebensstrategien der heimischen Vogelwelt im Winter – NABU Naturinfo
Leopoldshöhe. Kälte, Futtermangel, vereiste Gewässer – unsere heimischen Vögel müssen im Winter mit vielen Gefahren umgehen. Doch ein Großteil von ihnen übersteht diese unwirtliche Zeit mit Hilfe ausgeklügelter Überlebensstrategien.
Gewusst wie spart Energie
Das Rotkehlchen schützt sich gegen frostige Temperaturen, indem es beim Sitzen den Kopf schön einzieht, die Flügel eng anlegt und das Gefieder aufplustert. So können Rotkehlchen ihren kleinen Körper auch bei minus 15 Grad Celsius ohne Frostbeulen durch lange Winternächte bringen.
Warm anziehen!
Daunenfedern sind so fein verästelt, dass sie ein ganzes Luftpolster am Körper festhalten können. Diese Luft heizt den Vogelkörper ordentlich auf. Ohne diesen Thermoanzug wären die meisten Vögel im Winter binnen Minuten erfroren. Schließlich müssen sie eine Körpertemperatur von 40 Grad Celsius aufrechterhalten. Gerade bei Kleinvögeln, die oft nur rund zehn Gramm wiegen, ist das eine Meisterleistung. Kein Wunder also, dass Vögel so viel Wert auf eine ausführliche Gefiederpflege legen.
Die moderne Wärmedämmung
Ganz up to date beim Wärmeschutz ist der Buntspecht in der Stadt. Statt in kalte, mühsam zu zimmernde Baumhöhlen einzuziehen, nutzt er modernste Wärmedämmung. Hat er erst einmal eine frisch isolierte Häuserfassade entdeckt, schlägt er oft in weniger als einer halben Stunde eine behagliche Höhle in das weiche Material. Dort verbringt er die Nacht, gut isoliert und vom menschlichen Wohnungsnachbarn gratis mitgeheizt. Meist löst dieses Verhalten eines modernen Stadtvogels bei Hausbesitzern wegen der Bauschäden keine Freude aus.
Kuscheln
Kuscheln ist in unserer Vogelwelt relativ selten, weil dadurch das eigene wärmende Federkleid zerdrückt wird. Aber, keine Regel ohne Ausnahme. Einige Vogelarten kuscheln trotzdem – vor allem, wenn auch noch eine gemütliche Schlafhöhle zur Verfügung steht. Kuschelweltmeister ist der Gartenbaumläufer. Bis zu zwanzig Tiere können sich in einer Baumhöhle zusammendrängen.
Barfuss im Schnee?
Obenrum mit einem dicken Daunenjäckchen geschützt, stehen unsere Wintervögel barfuss im Schnee – und frieren trotzdem nicht am Zweig fest. Der Trick dabei ist, dass die Füße unserer Vögel im Winter absichtlich kalt sind – nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. So taut der Schnee nicht unter den Füßen, und wo kein Tauwasser entsteht, kann auch nichts festfrieren. Vögel haben, im Gegensatz zu uns, kein Problem mit kalten Füßen. Sie gleichen den Temperaturunterschied zwischen Körper und Füßen durch ein Wärmeaustauschsystem aus.
Vorsorgen!
Einige Vogelarten legen sich einen Vorrat an Nahrung an. So zum Beispiel der Eichelhäher. Er ist im Herbst besonders emsig und versteckt Eicheln, Bucheckern und Nüsse, meist am Fuß von Bäumen. Wird im Winter die Nahrung knapp, lebt er von seinen Vorräten. Er hat ein gutes Ortsgedächtnis und gräbt seine Vorräte unter dicken Schneedecken wieder aus.
Auch der Kleiber betreibt Vorratshaltung. Unentwegt holt er sich Körnchen für Körnchen vom Futterhaus und stopft es unter Flechten in die Rinde der Bäume. Er wähnt sein Futter gut versteckt, aber er darf sich dabei nicht zusehen lassen: Andere Vögel sparen sich die mühsame Vorratshaltung, indem sie einfach des Kleibers Körner wieder hervorholen und verspeisen, wenn der mal gerade nicht da ist.
Flucht vor dem Eis
Noch nicht ganz ausgereift ist die Strategie vieler Rallen (Blässhuhn, Teichhuhn), zu warten, bis ihr Heimatgewässer fast zugefroren ist. Erst kurz bevor die Vögel selbst festfrieren würden, starten sie eine hastige Wetterflucht, um ein noch offenes Gewässer zu suchen. In Städten frieren die Gewässer oftmals glücklicherweise nicht vollständig zu. Unter Brücken und an Einlassstellen sammeln sich neben den Rallen auch andere Wasservögel.
Ab in den Süden?
Kein Vorbild für uns vom Klimawandel bedrohte Menschen sind geschätzte fünf Milliarden Zugvögel weltweit, die jedes Jahr eine Flugreise in wärme Gefilde antreten. Kälte und Nahrungsmangel können diese Vögel dadurch zwar vermeiden, trotzdem werden gerade unsere fernreisenden Vogelarten, wie Rauchschwalbe oder Kuckuck immer seltener. Das liegt daran, dass der Vogelzug immer gefährlicher wird. Viele Rastgebiete sind inzwischen vom Menschen zerstört worden und die schwer zu überfliegende Sahara wird durch den Klimawandel immer größer. Zuhause bleiben im Winter wird deshalb für einige Vogelarten immer attraktiver. Typische Zugvögel wie Star, Hausrotschwanz oder Zilpzalp werden deshalb immer öfter auch im Winter gesichtet.
Wie NABU-Mitglied Heidrun Mühlberger beobachtet hatte, überwintern auch viele Rotmilane mittlerweile in heimischen Gefilden. Offenbar ist ein Futterangebot in den Wintermonaten für die Vögel ausreichend vorhanden.
Und auch die Störche haben sich umgestellt, immer mehr dieser Tiere zeigen wenig Neigung, große Strapazen auf sich zu nehmen und noch in den warmen Süden zu fliegen.
Martin Düsterberg entdeckte vor einigen Tagen noch ein Storchenpaar auf dem Dach der Kirche von Lemgo/Lieme.