
Inge Dornfeldt, 88
„An den 8. Mai 1945 kann ich mich nicht erinnern“, sagt Inge Dornfeldt. Im Jahr darauf feierte ihr Sportverein ein Fest. Daran kann sie sich noch gut erinnern. Damals lebte Inge Dornfeldt in Bünde: „Am 8. Mai war der Krieg für uns schon längst zu Ende.“ Einen Tag nach Ostern waren die amerikanischen Panzer in Bünde angekommen.
Sie war 13 Jahre alt, als eines Morgens ein amerikanischer Soldat vor ihrem Bett stand und sagte, sie hätte eine Stunde Zeit, etwas zusammenzupacken. „Ich hatte keine Angst und gar keine Zeit, mich zu erschrecken“, sagt die 88-Jährige. Die Amerikaner wollten das Haus für Ihre Zwecken nutzen. „Sie wollten am 20. April in Berlin sein“, erinnert sich Inge Dornfeldt, die damals schon Englisch konnte.
Die Amerikaner hatten eine Ausgangssperre verhängt. Ob die Bünder um 18 oder 19 Uhr zuhause sein mussten, weiß sie nicht mehr. Damals sah sie zum ersten Mal farbige Menschen. Ein paar Tage war Ruhe, dann rückten die Amerikaner ab. „Es war auffällig, dass die Häuser, die die Farbigen genutzt haben, sehr ordentlich übergeben wurden. Das war bei den Weißen nicht so“, erinnert sie sich.
Nach den Amerikanern kamen die Briten. „Da mussten mehrere Häuser geräumt werden“, berichtet die spätere Englischlehrerin, vor allem in Ennigloh. Das Haus der Großeltern machten die Briten zur Offiziersmesse. Das blieb bis Ende der 1940er Jahre so. Es gab einen regen Kontakt mit den Briten, erzählt sie.
Der 8. Mai ging in aller Ruhe vorbei. Ihre Familie war froh, dass die Überflüge der Bomberverbände mit Ziel Berlin vorbei waren. Der Sommer sei sehr warm gewesen. „Wir sind viel in bewegte Gewässer gesprungen“, erzählt sie und meint den Fluss Else, der durch Bünde fließt. Ein halbes Jahr hatten die Schülerinnen und Schüler keine Schule.
Im Herbst stiegen sie in das alte Schuljahr wieder ein. „Ich habe dann erst kurz vor meinem 20. Geburtstag Abitur gemacht“, berichtet sie. In dem Sommer hätten sich viele mit der Kinderlähmung angesteckt. „Eine Impfung gab es ja noch nicht.“ Dennoch hat sie den Sommer als glückliche Zeit in Erinnerung, obwohl ihr Elternhaus voll mit Flüchtlingen war. „Die waren aus dem Aachener Raum“, erinnert sich Inge Dornfeldt.
In der Schule kamen immer wieder britische Offizierinnen vorbei. Sie kontrollierten die Taschen, ob darin nationalsozialistische Schulbücher waren. Neue Schulbücher gab es noch nicht. „Da haben wir die Bücher von unseren Vätern genommen.“ Manche waren aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg.
Protokoll: Thomas Dohna
Foto: Edeltraud Dombert