Experten beim Forum Wohnen der SPD plädierten für Mehrfamilienhäuser
Leopoldshöhe (ted). Leopoldshöhe hat ein Problem: zu wenig bezahlbare und zu wenige Wohnungen nicht nur für Alleinstehende. Um auszuloten, wie diesem Problem begegnet werden kann, lud die SPD Leopoldshöhe zu ihrem ersten Forum Wohnen in die Aula des Schulzentrums. Um Baupreise und damit Mieten gering zu halten, gibt es nur drei Wege, waren sich die Experten einig: billiges Bauland, Höhe der Bauten und kommunales oder genossenschaftliches Bauen.
Die Idee zum Forum hatte Andreas Brinkmann, baupolitischer Sprecher der SPD Leopoldshöhe. Er hatte einige Experten aus Ostwestfalen-Lippe eingeladen. Ralf Brodda, Geschäftsführer des Mieterbundes OWL, den Architekten Dieter Perl aus Lage, Thorsten Kleinebekel, Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Wohnbau Lemgo eG, Oliver Klingelberg von der BGW Bielefeld, Alcay Kamis von der SGH Bad Oeynhausen. Bürgermeister Martin Hoffmann saß ebenfalls auf dem Podium wie Brinkmann selbst. Thomas Jahn, Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat und dort Vorsitzender des Hochbau- und Planungsausschusses moderierte die Diskussion.
Jahn umriss die Schwierigkeiten beim Wohnungsbau. Klimaschutz spiele eine Rolle. Sozialer Wohnungsbau gelte als Bauen für Arme, der Begriff „bezahlbarer Wohnraum“ sei so etwas wie eine Nebelkerze. Wohnen sei wie Essen und Trinken ein Grundbedürfnis des Menschen, sagte Jahn. Die Menschen aber fänden keine oder nur noch schwer Wohnungen, stellt er fest.
„Der Kreis Lippe ist nicht Gütersloh oder Bielefeld“, meinte Thorsten Kleinebekel, dessen Wohnbau in Lippe 2150 Wohnungen verwaltet. Je östlicher man in Lippe gehe, desto mehr zeige sich ein ganz anderer Wohnungsmarkt als in Leopoldshöhe. Dort, im Osten Lippes werde Infrastruktur zurückgebaut, weil immer weniger Menschen dort wohnen wollten. In Leopoldshöhe spüre man den Druck aus Bielefeld. Die Perspektive sei: „Leopoldshöhe wächst. Die Infrastruktur bleibt und wächst auch“, sagte Kleinebekel. Davon profitierten die Leopoldshöher auch. Von den gelegentlich am Wohnungsmarkt geforderten elf Euro pro Quadratmeter Miete sei die Wohnbau bei ihren Wohnungen weit entfernt. Im Augustenweg in Leopoldshöhe fordere die Wohnbau 8,50 Euro. Die durchschnittliche Miete betrage in den Wohnbauwohnungen 5,25 Euro pro Quadratmeter. Die letzte Mieterhöhung habe es 2017 gegeben. „Genossenschaften verhalten sich am Wohnungsmarkt anders als private Investoren“, sagte Kleinebekel. So einen Ruf wie den der privaten Wohnungsbauunternehmen in Berlin müsse man sich erst erarbeiten.
Oliver Klingelberg ist bei der Bielefelder Gesellschaft für Wohnen und Immobiliendienstleistungen mbH (BGW) Ansprechpartner im Sozialmanagement der BGW. Das sogenannte Bielefelder Modell, in dem neben dem Wohnen auch die soziale Versorgung in verschiedenen Lebensphasen eine Rolle spielt, sei bespielgebend für viele ähnliche Projekte in Deutschland, stellte Moderator Jahn fest. „In Bielefeld ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt“, berichtete Klingelberg. Der Versuch der BGW, bei Neubauten unter zehn Euro pro Quadratmeter zu bleiben, würden immer schwieriger. Dabei gehe es nicht nur um die Quantität, sondern auch um die Qualität der Wohnungen, zum Beispiel für Familien und Menschen mit Handicap. „Wichtig is zu schauen, was die Bedarfe sind“, sagte Klingelberg.
Der Geschäftsführer des Mieterbundes Ralf Brodda stellte fest: „Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften machen einen ganz anderen Job als die Großinvestoren.“ Wohnungen müssten da sein, wo die Menschen arbeiten. Wer weiter entfernt wohne, müsse auch die Fahrzeiten und -kosten zu den Mietkosten rechnen. Ein großes Anliegen des Mieterbundes sei es, dass sich kommunale Wohnungsbauunternehmen und Genossenschaften engagieren.
Alcay Kamis, Geschäftsführer der Städtischen gemeinnützige Heimstätten-Gesellschaft mbH (SHG) Bad Oeynhausen, umriss, was er unter bezahlbarem Wohnraum versteht. Im Schnitt koste der Quadratmeter bei der SHG 4,89 Euro, sagte Kamis. In dem Auftrag, breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen, sei der Auftrag der SHG ein ganz anderer als der privater Investoren. Die wollten innerhalb von zehn bis 15 Jahren ihre Investitionen wieder heraushaben. Allerdings dürften die Augen nicht davor verschlossen werden, dass Bauen auch für die kommunalen Unternehmen bezahlbar bleiben müsse. „Die zweite Miete ist die Position, die uns davon rennt“, sagte Kamis und meinte die Nebenkosten. Die Diskussion in Berlin dürfe nicht auf ganz Deutschland übertragen werden.
Wie denn bezahlbarer und öffentlich geförderter Wohnraum definiert werde, wollte Moderator Jahn wissen. Oliver Klingelberg von der BGW definierte bezahlbar als nicht mehr als ein Drittel des Nettoeinkommens. Dem stimmte Ralf Brodda vom Mieterbund zu. „Bezahlbar ist, wenn neben der Miete noch genug übrig ist, um sich vernünftig zu ernähren, eine Mitgliedschaft in einem Verein leisten kann und etwas Kultur“, sagte er, daneben vielleicht noch ab und zu ein Urlaub. Eine Recherche der Leopoldshöher Nachrichten bestätigt das (LeoN+).
Kleinebekel führte die Einkommensgrenzen nach der Wohnbauförderung an. Gut 19.000 Euro dürfe ein Alleinstehender verdienen, eine Familie mit zwei Kindern 35.000 Euro, um einen Wohnberechtigungsschein zu bekommen. „Viele Menschen sind berechtigt, öffentlich geförderte Wohnungen zu nutzen“, sagte Kleinebekel. Gut 22.000 Euro sei der Durchschnittsverdienst im NRW, ergänzte Moderator Jahn und frage nach dem Stigma der Sozialwohnung. Die seien demnach nicht nur für Arme.
Die Grenze für die Miete im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Bielefeld liege bei 6,40 Euro, sagte Oliver Klingelberg. Sein Unternehmen, die BGW, versuche, bei Neubauten für 50 Prozent oder mehr der Wohnungen eine öffentliche Förderung zu bekommen. Der Neubau-Bestand sei gemischt mit frei finanzierten Wohnungen. „Diese Mischung tut dem Quartier gut“, sagte Klingelberg.
Viele haben Anspruch
Die Stigmatisierung von öffentlich geförderten Wohnungen stamme aus der Zeit der Trabantenstädte, sagte Mieterbundgeschäftsführer Brodda. Die seien in Deutschland nicht ganz so schlimm wie in Frankreich. Sozialwohnung werde gleichgesetzt mit sozial schwach. Öffentlich geförderte Wohnungen seien negativ besetzt. Dabei lägen die Einkommensgrenzen so, dass 80 Prozent der Rentner eine Berechtigung auf eine öffentlich geförderte Wohnung hätten. Es gebe zwei Gründe, warum die Möglichkeiten nicht genutzt würden. Zum einen gebe es keine Wohnungen, zum anderen gebe es das Stigma „da gebe ich zu, dass ich es nicht allein schaffe“.
Auf die Frage Bürgermeister Hoffmanns, wie eine Kommune Wohnungsbaugenossenschaften dazu bringen könne, sich in einem Quartier zu engagieren, hatte der in Leopoldshöhe lebende SHG-Geschäftsführer Kamis einen Vorschlag: Bauland zweckgebunden zu vergeben. Es gebe dann keine Baugenehmigung, wenn nicht mindestens 30 Prozent der geplanten Wohnungen öffentlich gefördert würden. „Die Möglichkeiten sind da, die Gesetze sind da“, sagte Kamis, zum Beispiel das Baulandmobilisierungsgesetz. Allerdings gebe es zurzeit 21.0000 Bauvorschriften, in den 1990er Jahren seien es noch 5.000 gewesen.
Gemeinde als Investor
Andreas Brinkmann schlug vor, dass die Gemeinde als Investor auftreten könne. Es könne ein gemeinsames Tochterunternehmen der Gemeinde und eines Wohnungsunternehmens geben. BGW-Mann Klingelberg pflichtete dem bei. Es könne Kooperationen geben. Die Bewirtschaftung solle bei den Profis bleiben.
„Auf teurem Bauland entsteht kein bezahlbarer Wohnraum“, stellte Wohnbauvorstand Kleinebekel fest. Dem pflichtete Architekt Perl bei. Bei Grundstückspreisen von 300 Euro pro Quadratmeter Fläche lasse sich nicht mehr kostendeckend arbeiten. Dann entstünden anteilige Grundstückskosten von 50.000 bis 70.000 Euro pro Wohnung. Die Umwandlung von landwirtschaftlich genutzter Fläche in Bauland müsse über die Kommunen erfolgen. Moderator Jahn erinnerte daran, dass in Leopoldshöhe das Leopoldshöher Immobilien- und Liegenschaftsmanagement (LIL) so arbeite.
Eine Besucherin wies auf München hin. Dort müssten Investoren bei Wohnbauprojekten 30 Prozent geförderte Wohnungen einplanen. Eine andere Besucherin wollte den dörflichen Charakter Leopoldshöhes erhalten und lehnte deswegen mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser ab. Die aber sahen die Diskutanten als einzige Möglichkeit, auf preiswert bereitgestelltem Boden bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das sei in und mit Einfamilienhäusern nicht möglich.